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Besser vom Neuaufbau sprechen

Foto: Michael Kinnen
Das Kruzifix an der Außenwand der Kirche Sankt Laurentius in Ahrweiler ist zum Gebetsort in der Hochwasserkatastrophe geworden.

Besser vom Neuaufbau sprechen

Von: Brigitte Bettscheider | 10. Juli 2022
„Zusammenhalten“ ist ein Zeitdokument über die Flutnacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 und über das Leben in einer anderen Welt seither. Und es ist ein sehr persönliches Buch von Pastor Jörg Meyrer – über das Annehmen und Loslassen und über die Zukunft des Ahrtals und der Kirche.

Dieses Buch erspart dem Leser nichts. Nicht die unglaublich schrecklichen und dramatischen Geschichten vom Ertrinken oder von Rettung in letzter Minute. Nicht die Bilder von Schlamm und Müll, von Baggern, wo „früher“ Blumen blühten, von Erdhügeln, wo „früher“ gepflegter Rasen war.

Und nicht die Tränen, die Jörg Meyrer allein weint oder mit Betroffenen („das sind alle hier“) oder Helfern („sie sind das Wunder der Flutkatastrophe“): als er zum ersten Mal den völlig verwüsteten Ahrfriedhof besucht; als er zum ersten Mal über eine Brücke fährt, die wieder gebaut ist; beim Betrachten eines Fotos mit einem Kreuz, das trocken blieb, weil das Wasser genau darunter stoppte; wenn Ruhe einkehrt nach einem weiteren Tag des „einfach Daseins“ für die Menschen in der zerstörten Stadt; und bei all den anderen Situationen, die das Herz treffen. Ohne allerdings rührselig zu sein.

Dieses Buch schenkt dem Leser vieles. Den wenige Tage nach der Flut verfassten „Ahrpsalm“ von Stephan Wahl, Bistumspriester in Jerusalem, Studienkollege und Freund von Meyrer, ebenso wie das Gedicht „Bitte“ von Hilde Domin (1909–2006), deutsche Schriftstellerin jüdischen Glaubens, eine Lieblingsautorin von Meyrer. Der Psalm vom 19. Juli 2021 und das Gedicht aus dem Jahr 1957 haben das Sprachgewaltige und Ungeschönte gemeinsam; ausgewählte Verse stehen den Erlebnissen und Facebook-Einträgen des Autors voran.

Helfer aus Münsterland sind ins Ahrtal gezogen

Geschenke sind auch die Geschichten von den Helfern (100 000 sollten es insgesamt werden), die ab der ersten Stunde da sind. „Es ist so unendlich gut, dass das niemand allein tun muss, dieses schreckliche Werk des Ausräumens“, schreibt Meyrer über die ersten Tage. Und erzählt von Tamara und Reinhard, die mit ihrem zur Kaffeebude umfunktionierten Wohnmobil aus dem Münsterland nach Ahrweiler kamen, um zu helfen und Mut zu machen, und inzwischen ganz in das „solidAHRischste Tal der Welt“ umgezogen sind.

Das Buch lehrt den Leser viel. Dass die Ahr genau so verletzt ist, wie sie verletzt hat. Dass „Ahr-Weh“ eine Wunde ist, die alle tragen. Dass es besser ist, nach dem Wozu statt nach dem Warum zu fragen und vom Neuaufbau statt vom Wiederaufbau zu sprechen. Dass es auch einem Priester beim Beten die Sprache verschlagen darf. Und dass es erste Bilder, Ziele und Ideen gibt, wohin es mit dem Ahrtal und mit der Kirche – nicht nur im Ahrtal – gehen kann.

örg Meyrer, Zusammenhalten. Als Seelsorger im Ahrtal, 256 Seiten, ISBN 978-3-89710-934-6, Verlag Bonifatius, Paderborn 2022,  Preis: 20 Euro.
örg Meyrer, Zusammenhalten. Als Seelsorger im Ahrtal, 256 Seiten, ISBN 978-3-89710-934-6, Verlag Bonifatius, Paderborn 2022, Preis: 20 Euro.
Das Buch verlangt etwas vom Leser. Und zwar ganz konkret im letzten der drei Briefe, mit denen Meyrer das Buch schließt. „Vergiss uns nicht in unserem Tal!“, bittet er. „Verändere dein Leben, und wenn es nur ein ganz klein wenig ist“, appelliert er. „Denn so weitermachen wie bisher, das wird zu weiteren Katastrophen wie bei uns führen“, warnt er. „Wäre es eine Idee, wenn du jede Woche eine halbe Stunde verschenkst, um die Welt besser zu machen? Um Menschen, denen es nicht gut geht, beizustehen?“, fragt er.

Das Buch mag Zeitgeschichte, Lehrbuch, Trauerbuch, Trostbuch, Hoffnungsbuch, Tagebuch sein: Es ist absolut lesenswert.

Jörg Meyrer, 1962 in Völklingen geboren, studierte Philosophie und Theologie in Trier und Freiburg. 1988 erhielt er die Priesterweihe. Nach einigen Jahren als Kaplan und Vikar wurde Meyrer Pfarrer dreier Gemeinden im nördlichen Rheinland-Pfalz. 2002 übernahm er die Pfarrstelle der Katholischen Pfarrgemeinden in Ahrweiler und in Ramsbach, die 2011 Teil der Pfarreiengemeinschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler wurden. Im Februar 2022 war er Mitglied der Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt.




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Im Blickpunkt

„Paulinus“-Leserreise 2023

Die nächste „Paulinus“-Leserreise führt vom 24. April bis 1. Mai nach Apulien in Italien. Der Stiefelabsatz Italiens lockt mit angenehmen frühlingshaften Temperaturen, einer beeindruckenden Landschaft sowie großer Geschichte und Kultur.


Lebensberatung im Paulinus

An dieser Stelle beantworten regelmäßig Lebensberaterinnen und -berater aus den Einrichtungen des Bistums Trier Fragen zu verschiedenen „Problemfeldern“ des Lebens, zum Beispiel aus den Bereichen Erziehung, Ehe oder Familie. Wenn Sie zu einem Problem Beratung oder Antworten suchen, können Sie sich entweder an die „Paulinus“-Redaktion, Postfach 3130, 54221 Trier, oder direkt an die Lebensberatungsstellen im Bistum Trier wenden. Viele Paulinus-Beiträge aus der Praxis der Lebensberater finden Sie im Paulinus-Archiv/Lebensberatung.


Einfach Leben

Ein eigenes Haus, ein Auto, regelmäßiger Urlaub, Fernreisen, ein möglichst gut gefülltes Bankkonto. So sah lange Zeit der Traum vom Wohlstand aus. Doch immer mehr setzt sich heute die Erkenntnis durch: „Viel haben“ heißt noch nicht „gut leben“, und „weniger ist vielleicht mehr“. In Zusammenarbeit mit Barbara Schartz vom Themenschwerpunkt Schöpfung bei der Katholischen Erwachsenenbildung im Bistum beleuchten wir das Thema in einer lockeren Serie und stellen Menschen vor, die für Veränderung eintreten oder anders leben.


Synode im Bistum Trier

Die Synode wurde am 29. Juni 2012 von Bischof Ackermann ausgerufen. Die Trierer Bistumssynode hat ihr Abschlussdokument „heraus gerufen – Schritte in die Zukunft wagen“ am 30. April 2016 verabschiedet.



Video

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    Am 27. Mai wird Bischof Dr. Stephan Ackermann im Trierer Dom Johannes Cavelius und Mathieu Valet zu Priestern weihen (der Paulinus berichtete). Johannes Cavelius hat dem „Paulinus“ erzählt, warum er Priester werden möchte und worauf er sich nach der Weihe am meisten freut (Video: Sarah Schött).
  • "Begrüßungsvideo" zu den Heilig-Rock-Tagen 2023
    Isabell Krohn und Wolfgang Meyer haben das Programm der 23. Ausgabe des Bistumsfestes vorgestellt und laden herzlich dazu ein. Sie stehen unter dem Leitwort "Ich will euch Zukunft und Hoffnung geben" und halten nicht nur ein umfangreiches geistliches, sondern auch ein abwechslungsreiches Kulturprogramm bereit (Video: Christine Cüppers).
  • Zur Neufassung des kirchlichen Arbeitsrechts
    Bischof Stephan Ackermann erläutert im Video, welchen Perspektivwechsel die neue Grundordnung vollzogen hat: Die "katholische Identität" ist im Selbstverständnis der Organisation begründet. (Bericht im „Paulinus“)
  • Bleibender Gewinn fürs Museum
    Das Museum am Dom ist am Ende der rheinland-pfälzischen Landesausstellung „Der Untergang des Römischen Reiches“ mit Besucherzahl und Resonanz sehr zufrieden. Viele Stücke werden in die neue Dauerausstellung integriert werden, sagt Museumsdirektor Markus Groß-Morgen (Video: Zeljko Jakobovac).
  • Weitere Videos
    Weitere Videos des Paulinus finden sich auf www.youtube.com/PaulinusTrier




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