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Spannungen aushalten

Foto: Stanislaus Klemm
Unser Leben – ein Seiltanz zwischen Gegensätzen.

Spannungen aushalten

Von: Stanislaus Klemm | 25. September 2016
Der Rektor der theologischen Hochschule Heilig Kreuz in Wien, Karl Wallner, nannte einmal unser Leben „einen Schwindel erregenden Seiltanz über den Abgründen der Sinnlosigkeit“. Eine gewaltige und angsterregende Vorstellung. Unser Alltag ist allerdings randvoll solcher mutiger und spannungsgeladener Schritte. Gedanken über Gleichgewicht und Balance in Beziehungen – damit beschäftigt sich die „Paulinus“-Lebensberatung.

In der Erinnerung an die Jahre, in denen ich in der Eheberatung arbeitete, gibt es nichts schöneres, nichts treffenderes und nichts aussagekräftigeres als das Bild vom „Gleichgewicht“, von der Balance in jeder Beziehung. Es hat sich wie ein roter Faden durch alle meine Erfahrungen und Erinnerungen gezogen. Unser gesamtes Leben, überhaupt der ganze Kosmos, im Großen und im Kleinen, ist bestimmt durch eine Auseinandersetzung mit Gegensätzen, die sich nur scheinbar widersprechen, sondern die zusammen wirken müssen.

Die Bewegung der Erde um die Sonne, ihre eigene Drehung um sich selbst, ihre Fliehkräfte sowie ihre Anziehungskräfte sind auch nur verschiedene, aber im Zusammenwirken notwendige Kräfte, die sich in harmonischem Gleichgewicht befinden und unser Leben überhaupt erst ermöglichen.

Wir sagen oft: Das Leben ist nicht einfach und meinen anscheinend damit, dass es ganz schön schwierig ist. Aber unser Leben ist wirklich „nicht einfach“ – sondern „zweifach“, es verlangt von uns eine ständige Entscheidung, entweder nach links oder aber nach rechts zu gehen, wir müssen immer wählen, zwischen zwei Gegensätzen balancieren, die sich dann im Gleichgewicht zu einander bewegen müssen, damit unser Leben gelingen kann. Dabei passiert es immer wieder, dass wir dabei entweder übertreiben oder untertreiben.

Der berühmte Philosoph Aristoteles gab seinem Sohn Nikomachos ein Lebenstestament mit auf seinen Weg: „Als erste Erkenntnis ist festzuhalten, dass alles, was irgendwie einen Wert darstellt, seiner Natur nach durch ein Zuviel oder Zuwenig zerstört werden kann.“ Genau hier drängt sich geradezu das Bild von der richtigen Balance, von dem richtigen Maß auf.

Es geht also darum, dass wir in unserem Leben auf die verschiedenen Angebote annähernd „das gleiche Gewicht“ legen und eben nicht blind und pauschal alles nur immer auf „eine Karte“ setzen, unser Leben soll also nicht einer öden Monokultur gleichen, sondern vielgestaltig, mannigfaltig und kunstfertig bleiben. Nicht kopflastig, übertrieben, abhängig, einseitig und maßlos, sondern ausgeglichen. Es soll eine Mitte haben, einen Ruhepunkt in aller notwendigen Dynamik der Entwicklung und der Zeit.

Jeder Partner hat Stärken und Schwächen

Balance zwischen den Stärken und den Schwächen des Partners: Wenn zwei Menschen eine Partnerschaft eingehen, so tun sie gut daran, sich immer wieder bewusst zu machen, dass sich zwei Menschen auf einander zu bewegen, die von Anfang an viele Stärken und viele Schwächen mit in die gemeinsame Partnerschaft einbringen.

Beide werfen Licht und Schatten in die Beziehung, zeigen neben den geliebten runden Seiten auch viele Ecken und Kanten. Keinem wird es gut tun, vom anderen idealisiert und auf den Sockel gestellt zu werden. Dort wird man sehr schnell einsam.

Jeder der beiden hat das Bedürfnis, dass der andere seine guten Fähigkeiten sehen und anerkennen möchte. Er möchte aber auch mit manchen seiner Schwächen trotzdem geliebt werden. Beides gehört zum Urbedürfnis eines jeden Menschen, gerade in der Partnerschaft.

Balance zwischen reden und schweigen können: Zwei Partner, die nicht miteinander reden, gleichen einem Fluss, der nicht fließen kann. Das ist die eine Seite der Wahrheit. Aber so wie ein Fluss nicht ständig und überall die gleiche Fließgeschwindigkeit und nicht an jeder Stelle eine Stromschnelle hat, sondern an vielen Stellen ruhiger fließt, damit sich all das, was im Laufe der Zeit aufgewirbelt wurde, auch wieder etwas setzen und klären kann, in ähnlicher Weise lebt jede Kommunikation auch von den Momenten der Stille und Ruhe, damit einiges von dem, was man gehört hat, auch verdaut werden kann.

Es gibt Ehen, die zerbrechen, weil beide nicht mehr mit einander reden können. Es gibt aber auch Ehen, die leise aber sicher zerbröseln und zerfallen, weil zu viel zerredet und verquatscht wird. Reden ist Silber – Zuhören ist Gold.

Balance zwischen Harmonie und Streit: Wir streben alle in unserer Partnerschaft nach Harmonie und Einheit und sollten uns aber andererseits auch wiederum freuen, dass wir in Situationen, in denen wir keine Einheit wahrnehmen oder schaffen können, ein Lösungsinstrument haben, das Streiten, das richtige, faire, offene und konstruktive Streiten.

Wenn es nicht zum Machtkampf ausartet, den anderen nicht persönlich verletzt, sondern ein Mittel bleibt, Konflikte zu lösen, dann bleibt es ein unverzichtbarer Anteil seelischer Balance. Eine falsche Harmonie auf Kosten notwendiger Auseinandersetzung ist ein „fauler Friede“, der nicht tragfähig bleibt und wie ein Geschwür aufplatzen wird.

Soll ich den Partner verändern?

Balance zwischen Annehmen und Verändern: Geduld und Ungeduld erscheinen uns immer als krasse Gegensätze, sind aber, wenn man versucht eine Balance zwischen Beidem zu halten, nur unterschiedliche Richtungen einer großen Linie, die wir Entwicklung nennen.

Auf dieser Linie gibt es Stationen, die viel Zeit und Geduld brauchen, auf der anderen Seite gibt es auch eine heilsame Ungeduld, gewissermaßen der Herzschlag, die Entwicklung weiter anzutreiben und nicht stehen zu bleiben.

In ähnlicher Weise werden sich wohl zwei Partner, wenn sie auf schwierige Situationen im Verhalten unter einander stoßen, fragen dürfen: Sollen sie besser eine Schwierigkeit, die der andere hat, als dessen Eigenart annehmen, oder sollen sie eher versuchen, solche auftauchenden Probleme mit einander zu lösen? Wer aber den „Bogen“ überspannt und die Balance vernachlässigt, gerät in der Partnerschaft in eine Schieflage.

Schieflagen führen zu Haltungsschäden und Haltungsschäden bringen Probleme ohne Ende. Im Leben die notwendigen Spannungen durch- und auszuhalten, macht unser Leben im wahrsten Sinne spannend.

  • Unser Autor …
    … Stanislaus Klemm ist Diplompsychologe und Theologe, ehemaliger Mitarbeiter in der Lebensberatung Neunkirchen/Saar.

  • Lebensberatung
    Insgesamt gibt es – von Ahrweiler bis Wittlich – 20 Lebensberatungsstellen des Bistums Trier, an die sich jede und jeder Ratsuchende wenden kann. Der zuständige Arbeitsbereich im Generalvikariat wird geleitet von Dr. Andreas Zimmer.

    Kontaktadresse: Lebensberatung im Bistum Trier, Bischöfliches Generalvikariat, Hinter dem Dom 6, 54290 Trier, Telefon (06 51) 71 05-2 79, E-Mail beratung@bgv-trier.de, Internet www.lebensberatung.info.

    Über 70 weitere Artikel sind im Internet unter www.paulinus.de in der Rubrik „Lebensberatung im Paulinus“ zu finden.



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Im Blickpunkt

„Paulinus“-Leserreise 2024

Die nächste „Paulinus“-Leserreise führt vom 28. September bis 5. Oktober nach Kroatien. Die dalmatinische Küste Kroatiens zählt zu einer der malerischsten Europas. Unzählige vorgelagerte Inseln, herrlich verträumte Buchten, ein kristallklares Meer sowie die einzigartigen Städte Dubrovnik, Split und Trogir (deren Altstädte stehen unter dem Schutz der Unesco) werden Sie verzaubern.


Lebensberatung im Paulinus

An dieser Stelle beantworten regelmäßig Lebensberaterinnen und -berater aus den Einrichtungen des Bistums Trier Fragen zu verschiedenen „Problemfeldern“ des Lebens, zum Beispiel aus den Bereichen Erziehung, Ehe oder Familie. Wenn Sie zu einem Problem Beratung oder Antworten suchen, können Sie sich entweder an die „Paulinus“-Redaktion, Postfach 3130, 54221 Trier, oder direkt an die Lebensberatungsstellen im Bistum Trier wenden. Viele Paulinus-Beiträge aus der Praxis der Lebensberater finden Sie im Paulinus-Archiv/Lebensberatung.


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    Weitere Videos des Paulinus finden sich auf www.youtube.com/PaulinusTrier




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