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Warum nicht einfach mal nichts sagen?
Stille in den Alltag bringen
Von: Andrea Kolhoff | 28. August 2022
Viele Menschen sagen, dass sie sich nach mehr Stille sehnen. Doch was bedeutet das? Ruhige Momente ohne Hektik? Die Abwesenheit von Lärm? Weniger Ablenkung durch Telefon und Internet? Die Autorin Sigrid Engelbrecht gibt nützliche Hinweise zum Ausprobieren.
„Jetzt seid doch mal still“, schimpfen Eltern, wenn die Kinder bei Tisch herumalbern. Die Aufforderung, still zu sein, meint erstens, dass sie aufhören sollen zu kichern, und zweitens, dass sie stillsitzen sollen, rumhampeln und zappeln ist nicht erwünscht. Das Beispiel zeigt, dass für viele Menschen Stille nicht nur die Abwesenheit von Lärm bedeutet, sondern auch von zu viel Aktion.
Lärm kann krank machen
So ist es für jeden, der sagt, er möchte mehr Stille in sein Leben bringen, wichtig, zunächst zu überlegen, was er damit meint. Wer an einer belebten Straße wohnt oder in der Nähe des Flughafens, wünscht sich vor allem weniger Verkehrslärm, er braucht Schallschutzfenster, Ohrstöpsel zum Schlafen oder sollte umziehen.
Wer im Großraumbüro die Telefonate der anderen mithört und aktiv ausblenden muss, um konzentriert arbeiten zu können, wünscht sich eine stille Arbeitsatmosphäre. Hier können vielleicht Ohrstöpsel helfen.
Nicht ausblenden lassen sich oft die Hintergrundgeräusche, die uns in der modernen Welt begleiten. Musikgedudel im Supermarkt, pling und plang, wenn eine E-Mail oder eine Nachricht auf dem Handy eintrifft, das Piepsen der Assistenzsysteme beim Autofahren oder nervige Telefonate von Menschen, die im selben Zugabteil sitzen und in ihr Handy sprechen, als seien sie alleine. Diese Geräusche müssen wir oft hinnehmen.
Umso stärker wird der Wunsch nach Stille als einer Zeit ohne unerwünschte Geräusche. Das Lärm krank machen kann, ist durch verschiedene Studien belegt.
Unser Hörsinn ist immer eingeschaltet, auch nachts, wenn wir schlafen, weshalb Menschen, die unter Lärmbelästigung leiden, Krankheitssymptome wie Bluthochdruck und Kopfschmerzen entwickeln können, denn ihr körpereigenes Alarmsystem steht immer unter Stress. Und auch wenn die Hintergrundgeräusche nicht laut sind, stören sie unsere Konzentration, ob es das Brummen des Rechners ist oder ein tropfender Wasserhahn.
Welche Mechanismen genau zugrunde liegen, erklärt Sigrid Engelbrecht in ihrem Buch „Stille. Das Geheimnis der inneren Kraft“. Sie geht außerdem auf die Reizüberflutung ein, die zu „innerem Lärm“ führt. Werbeplakate, die uns „Kauf mich“ zurufen, oder Mails, die sofort beantwortet werden sollen, zwingen uns zu Entscheidungen. Engelbrecht empfiehlt, immer wieder eine reizarme Umgebung aufzusuchen, im Urlaub am Meer oder bei einer Wanderung im Park oder Wald.
Aber auch im Alltag lassen sich störende Reize ausschalten. Wer am Schreibtisch konzentriert etwas wegarbeiten möchte, kann das Telefon auf Anrufbeantworter schalten, das E-Mail-Programm ausmachen und das Smartphone weglegen, die Bürotüren schließen, vielleicht mit einer Zeitangabe für die Kollegen vor der Tür.
Denn nicht nur Umgebungsgeräusche, sondern auch die Erwartung ständiger Erreichbarkeit führen zu Stress. Unterbrechungen führen erwiesenermaßen dazu, dass eine Arbeit länger dauert. Jedes Mal muss man neu ansetzen. „Unterbrechungen aller Art zerhacken die Arbeitszeit in kleine und kleinste Stückchen“, schreibt Engelbrecht. Das produziere Stress, also „inneren Lärm“.
Ihr Rat: „Gönnen Sie sich eine Auszeit von E-Mail, Telefon und Bürogespräch.“ Außerdem sei es wichtig, auch Pausen einzuplanen; diese seien keine Zeitverschwendung, sondern notwendig.
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Buch-Tipp
Sigrid Engelbrecht, Stille. Das Geheimnis der inneren Kraft, 176 Seiten, ISBN 978-3-451-65400-8, Herder-Verlag, Freiburg 2021, Preis: 18 Euro. -
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