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Gelebte Achtsamkeit ist das Ziel

Foto: Martin Recktenwald
Bei der Koordinationsstelle zur Prävention gegen sexuellen Missbrauch beraten sich (von links): Ulrich Wierz (kirchlicher Notar), Elisabeth Feils-Endres (Diplompädagogin), Birgit Wald (Diplompsychologin) und Dr. Andreas Zimmer (Leiter).

Gelebte Achtsamkeit ist das Ziel

Von: Martin Recktenwald | 23. September 2012
Keine einmalige Großaktion, sondern ein nachhaltiger Wandel der Arbeitskultur zum Schutz von Kindern und Jugendlichen – das sieht das Konzept des Bistums Trier gegen Missbrauch vor.

Die Verantwortlichen im Bistum haben sich bei ihrem Präventionskonzept bewusst für einen langen Weg entschieden. Am Ende soll von allen rund 8000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Kultur der Achtsamkeit gelebt werden. „Das Thema soll dauerhaft präsent bleiben. Täter sollen dadurch spüren, dass hier kein Raum für sie ist, und Betroffene sollen so früh wie möglich die Gelegenheit haben, sich jemandem anzuvertrauen“, fasst Elisabeth Feils-Endres von der Koordinationsstelle zur Prävention gegen sexuellen Missbrauch die wichtigsten Ziele zusammen. Bis dieses neue Bewusstsein geschaffen ist, werde es Zeit brauchen. Deshalb kalkuliert man mit einem Zeitraum von zehn Jahren.

Schulungsphase hat begonnen

Die erste Phase der Umsetzung der neuen Rahmenpräventionsordnung des Bistums hat begonnen. Die 20 Lebensberatungsstellen fangen in den kommenden Wochen mit der Schulung aller 124 hauptamtlichen an – die Weiterbildung der Ehrenamtlichen soll in einem zweiten Schritt erfolgen. Alle Schulungen im Bistum werden einem Lehrplan folgen, der bestimmte Inhalte verpflichtend vorgibt. Dazu gehört beispielsweise die Beschäftigung mit psychologischen Dynamiken, denen Missbrauchsopfer unterliegen. Dennoch soll es keine Einheitsschulung geben: Für jeden Bereich erarbeitet die Präventionsstelle in Trier in Zusammenarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Berufspraxis ein passendes Konzept. „Wir möchten dass die Inhalte der Schulung später auch gelebt werden. Deshalb ist es wichtig, unterschiedliche Gegebenheiten zu berücksichtigen“, meint Birgit Wald von der Koordinationsstelle. Die alltägliche Praxis sieht in einer Kindertagesstätte eben anders aus als in der Krankenhausseelsorge.

Die richtige Sprache finden

Anne Ferner-Steuer ist Diplom- Sozialarbeiterin und arbeitet bei der Lebensberatung in Saarburg. Sie hat bereits an einer Multiplikatoren-Schulung teilgenommen, in der der genaue Inhalt der Schulungen für die Lebensberatungsstellen vorab durchlaufen wurde. „Aus meiner Sicht ist es ganz wichtig, die richtige Sprache zu finden“, nennt sie einen Schulungsinhalt, der sie besonders angesprochen hat. Die Herangehensweise einer früheren Aufklärungkampagne in Deutschland etwa sei aus heutiger Sicht falsch: „Dort stand ,Vati war ihr erster Mann‘, stattdessen sollte klar gesagt werden ,Vater vergewaltigt Tochter‘“. Auch im Gespräch mit Kindern sei sprachliche Klarheit wichtig. Ihnen sollte der Unterschied erklärt werden zwischen guten Geheimnissen, wie einem Überraschungsgeschenk für die Mutter, und schlechten, wie sie Missbrauchstäter von den Kindern abverlangen – ein schlechtes Geheimnis darf man nicht nur erzählen, man muss es sogar. „Wir sollten ihnen auch sagen, dass es Ältere gibt, die Kindern Schlechtes tun. Wir sollten Kinder ermutigen Nein zu sagen und ihrem Gefühl zu trauen“, meint Ferner-Steuer. Denn, das habe die Forschung gezeigt, emotional stabile Kinder werden deutlich seltener zu Opfern.

Täter planen meist lange im Voraus

Strategien von Tätern und Strukturen in Institutionen, die ihr Verhalten begünstigen, sind weitere Inhalte der Schulungen. Die meisten Täter bereiten ihre Tat lange vor, spontane Überfälle sind die absolute Ausnahme. Meist versuchen die Täter, das Vertrauen der Eltern zu gewinnen und testen bei den Kindern schrittweise, wie weit sie gehen können. Die Opfer werden gezielt manipuliert, um das Geschehen geheim zu halten. Geschenke werden gemacht, aber auch Drohungen ausgestoßen Damit begriffliche Klarheit herrscht, stellt die Schulung drei Kategorien aus der Fachsprache vor. Diese folgen zeitlich häufig aufeinander und werden rechtlich sehr unterschiedlich bewertet. Eine „Grenzverletzung“ ist ein einmaliges, oft unbeabsichtigtes Fehlverhalten, etwa eine sexistische Bemerkung. Wiederholte absichtliche Berührungen oder anzügliche Anspielungen bezeichnet man als „sexuelle Übergriffe“ – diese können bereits juristisch bekämpft werden. Kommt es zum „sexuellen Missbrauch“, so wurde die letzte Grenze überschritten. Damit der schlimmste Fall nicht eintritt, sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angehalten, auf Signale im Vorfeld zu achten und dagegen aktiv zu werden. Dieser Punkt bringt teilweise Verunsicherung mit sich: Was darf ich im Umgang mit Kindern und was nicht?

Nähe ist möglich – Grenzen erkennen

Jörg Ries, Leiter der Fachstelle Kinder- und Jugendpastoral mit Sitz in Dillingen, hat ebenfalls vorab an einer Infoveranstaltung zu den Präventionsschulungen teilgenommen. Er berichtet von Erfahrungen aus den Dekanaten im Saarland: „Insbesondere Ehrenamtliche von den Ferienfreizeiten stellen Fragen wie: Was mache ich, wenn ein Kind weint, darf ich es dann in den Arm nehmen?“. Natürlich müsse so etwas weiterhin möglich sein, vertritt Ries die auch in den Schulungen kommunizierte Meinung. Denn eine emotionslose und völlig distanzierte Jugendarbeit sei keineswegs Ziel. Entscheidend sei aber: „Der Erwachsene muss wissen, wo die Grenzen liegen. Kinder können in der Regel signalisieren, wenn sie nicht mehr wollen. Aber nehme ich das als Erwachsener auch wahr?“. Die Sensibilität für solche Wahrnehmungen soll in den Schulungen ebenfalls trainiert werden.

Klare Spielregeln festlegen

Damit die Schulungen kein einmaliges Ereignis bleiben geht es im zweiten Schritt des Präventionskonzeptes um die praktische Umsetzung in jedem einzelnen Bereich. „Es wird ein Verhaltenskodex zu erarbeitet. Darin werden transparent und umfänglich die Regeln für unsere seelsorgliche Arbeit festgeschrieben“, erläutert Pfarrer Ulrich Laux, Leiter der Fachgruppe Geistliche Begleitung. Das Thema Missbrauch sei in den vergangenen Jahren durchaus präsent gewesen, bei der geistlichen Begleitung von Opfern und mitunter von Tätern. Auch wenn es also schon früher notwendig war, einen Umgang damit festzulegen, hält Laux es für richtig, dies jetzt noch einmal zu präzisieren. „Ich denke, dass die Qualität unserer Arbeit auch daran gemessen werden kann, dass es eine klare Selbstverpflichtung auf einen Verhaltenskodex gibt“, meint der Seelsorger. Jeder Arbeitsbereich, von der Schule bis zu den Sozialen Lerndiensten soll einen auf die jeweiligen Gegebenheiten angepassten Verhaltenskodex erstellen. Jörg Ries sieht in der schriftlichen Fixierung von Spielregeln ebenso wie Laux eine große Chance. „Missbrauch war bei uns in der Fachstelle im Zusammenhang mit dem Komplex Kindeswohlgefährdung bisher schon Thema. Aber die intensive Beschäftigung jetzt, gibt uns Gelegenheit, noch stärker dafür zu sensibilisieren“, sagt er. Auf diese Weise hofft er, auch den Ehrenamtlichen noch klarere Hilfestellungen für ihr Verhalten geben zu können.

Zusätzliche Schulungen für leitende Mitarbeiter

In besondere Verantwortung nimmt das Präventionskonzept alle leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Für sie gibt es zusätzliche Schulungsmodule. Darin wird unter anderem über Möglichkeiten des Arbeitsrechts aufgeklärt. „Sobald ein Verhaltenskodex unterschrieben und damit akzeptiert wurde, gibt es bei Verstößen auch eine arbeitsrechtliche Grundlage“, verdeutlicht Feils-Endres. Die richtige Kommunikation nach innen und außen soll ebenfalls geschult werden. Prävention soll als „Wertzuwachs“ des Dienstes oder der Einrichtung vermittelt werden. Den Mitarbeitenden in Leitungsfunktion obliegt es auch, den „Notfallkoffer“ für den eigenen Bereich zu schnüren: Was ist im Krisenfall zu tun?

Und nicht zuletzt soll von allen Beteiligten darauf geachtet werden, dass die Kultur der Achtsamkeit durchgehend gelebt wird.

  • Info
    Grundlage für das Präventionskonzept des Bistums Trier gegen sexuellen Missbrauch ist die Rahmenordnung der Deutschen Bischofskonferenz, die zu diesem Thema im Herbst 2010 in Kraft gesetzt wurde.

    Auf dieser Basis wurde von der im Bistum Trier Anfang dieses Jahres ins Leben gerufenen Koordinationsstelle zur Prävention gegen sexuellen Missbrauch ein detailliertes Konzept erarbeitet.

    Dieses sieht in Phase 1 Schulungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor. Den Anfang machen diejenigen Arbeitsbereiche im Bistum, die unmittelbar in der Kinderund Jugendarbeit aktiv sind. Später werden die Schulungen bis auf die Ebene der einzelnen Dekanate erweitert.

    Die ersten Schulungen beginnen in diesen Wochen (genaue Termine werden gerade abgesprochen) bei den Lebensberatungsstellen. Ebenfalls noch im Herbst laufen die Schulungen für den Bereich Kinderund Jugendpastoral.

    Verpflichtende Module aller Schulungen sind: Täterstrategien; Psychodynamiken der Opfer; Dynamiken und Strukturen in Institutionen, die Täterverhalten begünstigen; Straftatbestände und rechtliche Bestimmungen; Entwicklung einer persönlichen, reflektierten Haltung zur Thematik; Einübung von Handlungskonzepten zum Umgang mit Grenzverletzungen.
    Phase 2 des Gesamtkonzeptes sieht dann vor, dass vom jeweiligen Arbeitsbereich ein Verhaltenskodex entwickelt wird. Dort werden konkrete Richtlinien zum Umgang mit dem Thema Missbrauch vor Ort festgelegt.

    Weiterhin sollen genaue Beschwerdewege für Opfer festgelegt werden. Dafür sollen Ansprechpartner in den Einrichtungen benannt werden und auch externe Alternativ-Anlaufstellen benannt werden.

    Ein weiterer Teil der Präventionsstrategie des Bistums ist, dass alle 1700 Angestellten in Arbeitsbereichen mit Bezug zur Kinder- und Jugendarbeit ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen müssen. Bislang sind 90 Prozent diesem Aufruf schon nachgekommen. Die Übrigen befinden sich laut Informationen der Bischöflichen Pressestelle derzeit in Elternzeit oder aus anderen Gründen gerade nicht im aktiven Dienst. Sie werden aktuell erneut angeschrieben, um zeitnah die 100-Prozent-Marke zu erreichen.



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