Foto: Andrea Hanisch
Kreativ und lustig geht es bei der so genannten Chaoskirche in Neuss zu.
Wuselig, fromm, lecker
Von: Susanne Haverkamp | 20. November 2022
„Kirche Kunterbunt“ heißt ein Projekt, Familien neu in die Kirche einzuladen. Es ist eine Kombination von Spiel, Gottesdienst und gemeinsamem Essen.
Kinder schneiden Kronen aus und verzieren Prinzessinnenhütchen mit Perlen; andere rennen Riesenseifenblasen hinterher. Eltern sind ins Gespräch vertieft, neben ihnen krabbelt ein Baby über die Decke. Ein älteres Ehepaar bereitet in der Küche eine Suppe vor. Aus der Kirche klingen Gitarren- und Flötentöne. In der „Kirche Kunterbunt“ kommen viele und vieles zusammen.
„Wir bieten die Aktion dreimal im Jahr an“, sagt Markus Rischen, bis zum Sommer Pastoralreferent im Katholischen Familienzentrum Neuss-Norf. Immer samstagsvormittags von zehn bis dreizehn Uhr. „Da kann die ganze Familie, und hinterher ist noch genügend Zeit für den Wochenendeinkauf.“ Zumal alle satt nach Hause gehen. „Da muss niemand mehr kochen.“
Entstanden ist die Idee der etwas anderen Familienkirche in England bei den „Fresh expressions of church“, einer Initiative für frische Ideen in der Kirche. „Als ich davon hörte, dachte ich: Da würde ich auch hingehen“, sagt Rischen, selbst Familienvater.
Weil er beruflich mit katholischen Kitas zusammenarbeitet, brachte er die Idee bei Kita-Leitung und Elternräten ein. „Und es haben sich wirklich schnell viele Leute gefunden, die das umsetzen wollten.“ Oft sogar solche, die „im Familiengottesdienst eher nicht anzutreffen sind“. Vielleicht hat sie das besondere Konzept überzeugt.
Denn „Kirche Kunterbunt“ ist eine Mischung aus Spiel und Spaß, Gebet und Essen. Also das pralle Leben an einem Vormittag.
„Jedes Treffen hat ein Thema“, sagt Markus Rischen, das kann „St. Martin und das Teilen“ sein oder „Gottes schöne Schöpfung“ oder „Reisen und Segen“. „Nach einem gemeinsamen Beginn gibt es Spiel- und Bastelstationen, die zu dem jeweiligen Thema passen“, sagt Rischen. Dafür braucht man genügend Platz und Menschen, die die Stationen leiten, denn immerhin sind in Neuss auf Anhieb rund hundert große und kleine Leute gekommen. „Uns war klar: Das muss richtig gut werden“, sagt Rischen.
Nach der, wie er sagt, „ziemlich wuseligen Spielphase“ wird gemeinsam Gottesdienst gefeiert. „Das ist bei uns immer ein fließender Übergang. Wir haben zum Beispiel Fotos gemacht, die wir über einen Beamer gezeigt haben, während die Leute nach und nach in die Kirche gekommen sind. Da konnten sie sich gleich wiederfinden.“ Auch inhaltlich finden sich Bastelarbeiten im Gottesdienst wieder. „Wir haben ihn immer als wichtigen Teil erlebt, der sich gut einfügt, nicht als Anhängsel oder Alibi.“
Die dritte Phase bildet das gemeinsame Essen – „einfach, aber lecker“, wie Rischen sagt. Schließlich ist Mahlgemeinschaft auch eine Möglichkeit, christlichen Glauben zu erleben. Und zufrieden nach Hause zu gehen.
„Wir haben immer tolle Rückmeldungen bekommen“, sagt Markus Rischen. „Und es macht auch einfach Spaß.“ Aber auch Arbeit. Ja, gibt Rischen zu, aber er sagt: „Der Vorteil ist, dass sich so viele unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Begabungen einbringen können.“ Beim Spielen und Basteln, bei der Technik, der Musik, beim Kochen, bei der Werbung.
Außer dem Kernteam kann man jugendliche Firmlinge für die Mithilfe gewinnen, die Frauen- oder Seniorengruppe. Die Art der Familienkirche sei „ein wunderbarer Integrator“, sagt Rischen. Er führt Nah- und Fernstehende, Jüngere und Ältere auf fröhliche Art zusammen.
Und noch einen Vorteil hat die „Kirche Kunterbunt“: „Sie ist eine überregionale Idee, so dass man bei der Planung viel Hilfe bekommt, es gibt ein ganzes Unterstützungssystem“, sagt Markus Rischen. Da ist die Homepage, auf der sich detaillierte Ideen und Pläne finden. Es gibt Regionaltreffen, um Ideen auszutauschen. Wer möchte, kann an Fortbildungen oder Workshops teilnehmen. Es gibt ein Logo, das man verwenden kann, und ein Buch, mit dem der Einstieg leicht gemacht wird.
Und dennoch ist man frei, die Dinge so umzusetzen, wie sie für die eigene Gemeinde passen. „Zum Beispiel ist es eigentlich so gedacht, sich jeden Monat zu treffen, damit eine festere Gruppe entstehen kann“, sagt Markus Rischen. Das sei ihnen in Neuss aber zu viel gewesen. Manche führen die Aktion auch am Freitagnachmittag durch, als Einstieg ins Wochenende. „Aber für uns war der Samstagvormittag passender.“ Doch wie auch immer man es macht, Markus Rüschen sagt: „Es ist aufwändig. Aber der Aufwand lohnt sich total.“
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Buch-Tipp
Sabine Sramek / Reinhold Krebs, Kirche Kunterbunt, Neue Ideen für Gemeindeentwicklung mit Familien, 270 Seiten, ISBN Katholisches Bibelwerk, Neukirchener Verlag, Preis: 20 Euro. -
Info
Weitere Informationen, Videos und praktische Beispiele im Internet unter www.kirche-kunterbunt.de.
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