![]() Mit bunten Lampions zogen die Kinder rund um den Dom. |
Für viele der Teilnehmer an dem ökumenischen Martinsgedenken am8. November in Trier war es neu zu hören, daß es historischeBeziehungen des Bischofs von Tours nach Trier gibt. So soll Martin bereits umdas Jahr 371 in Trier gewesen sein und, wie die Legende erzählt, den krankenKnecht des Prokonsuls Tetradius geheilt haben. Jedenfalls geht auf ihn dieGründung einer Kirche, später eines Klosters zurück, das nochheute den Namen "Martinskloster" führt.
Da der Nachmittag an den historischen Martin erinnern soll, wird auf dasklassische Martinskostüm und das Pferd verzichtet. Georg Hennes in der Rolledes Martin erzählt von seinem Leben, insbesondere von seinen Aufenthalten inTrier. Domkapitular Nikolaus Föhr und der evangelische Pfarrer Manfred Henkegreifen die Lebensgeschichte Martins auf und fassen sie in Gebete. Martin als derhelfende Mensch soll heute Fürbitte für Menschen halten, die an Hungerund Krankheit leiden, die ausgegrenzt, heimatlos und an den Rand der Gesellschaftgedrängt werden. Für alle Christen sollte Martin ein Beispiel sein,sich zu engagieren, einzumischen und Verantwortung zu übernehmen.
Eine lange Prozession, angeführt von Transparenten und dem Kreuz,zieht vom Viehmarkt zur Konstantins-Basilika. Auch an dieser alten Kaiseraulaläßt sich ein wichtiges Stück der Lebensgeschichte des BischofsMartin festmachen. Denn spanische Bischöfe waren aus ihrer Heimat nach Triergekommen, um ihren Mitbischof Priszillian beim Kaiser der Ketzerei anzuklagen.Kaiser Maximus, der mit Macht die Einheit der Kirche garantieren will, verurteiltPriszillian und einige seiner Anhänger zum Tode. Martin versucht dieHinrichtung zu verhindern, da es für ihn unvorstellbar ist, daßChristen Christen töten. Sein erfolgloses Bemühen mag in der altenKaiseraula, die heute ein evangelisches Gotteshaus ist, stattgefunden haben. VomAltar der Konstantins-Basilika aus begleiten nun die Bibel und zwei Altarkerzenden Zug. An den beiden Kerzen werden vor der Basilika tausend kleinere Kerzenentzündet, die nun in der hereinbrechenden Dämmerung den Martinszug ineine Lichterkette verwandeln. Vor dem Dom angekommen, werden die vielen Kerzen ineinen dort aufgeschütteten Sandberg gesteckt und bilden ein erstesMartinsfeuer auf dem weiten Domfreihof.
Im Dom erwartet Bischof Dr. Hermann Josef Spital den Zug. Der evangelischePfarrer Manfred Henke trägt die Bibel durch den Mittelgang des Doms zumAltar hinauf und übergibt das Buch an Bischof Spital. Als der Bischof dieBibel erhebt und vorzeigt, brandet im weiten Dom spontan Beifall auf. Das Zeichender Bibel als Band der Einheit zwischen den christlichen Konfessionen wird vonden Menschen verstanden und mitgetragen. Von der Sorge um die Einheit handeltauch die Fortsetzung der Erzählung über das Leben Martins. Denn als ernach der Hinrichtung der Priszillianer vor der Frage steht, ob er mit denBischöfen, die den Tod ihres Mitbruders betrieben haben, noch gemeinsamGottesdienst feiern kann und will, verbringt er eine lange Nacht des Gebets unddes Zweifelns im Dom. Dann entscheidet er sich am nächsten Morgen fürden gemeinsamen Gottesdienst, denn er weiß, daß der Dienst Gottes anden Menschen weitergetragen werden muß. Er vertraut dem Frieden Gottes.
Bischof Spital hat inzwischen die Bibel zum Johannes-Altar im rechtenSeitenschiff des Doms hinübergebracht. Dort liegt sie nun auf einem kleinenPult und soll die Menschen, die den Dom besuchen, dazu einladen, einige Worte inder Heiligen Schrift zu lesen. Zwei Gebete, die eben aus dieser Heiligen Schriftstammen, ertönen nun im Dom. Das Magnificat, der Lobgesang Mariens, und dasVaterunser, das Jesus selbst gesprochen hat, werden gesungen und gebetet. In denFürbitten wird noch einmal um die Einheit gebetet: die Einheit zwischen denVölkern, die Einheit zwischen Arm und Reich, die Einheit zwischen denChristen, insgesamt um die Einheit zwischen allen Menschen.
Bischof Spital, Domkapitular Föhr und Pfarrer Henke beschließendie Feier mit dem gemeinsamen Segensgebet. Der Bischof lädt dann ein, denTag mit dem Martinszug um den Dom hin zum Feuer auf dem Domfreihof zu beenden.Vorsichtig verspricht er den Kindern auch ihre traditionelle Martinsbrezel, weiler fürchtet, daß die Menge der Brezeln nicht für alle ausreichenkönnte. Ein Hinweis, daß wir ja von Martin das Teilen lernenkönnen, kommt an.
So füllt sich dann sehr schnell der Domfreihof mit einer Unzahl vonLichtern rund um das kleine Martinsfeuer. Nun scheinen auch die traditionellenMartinslaternen auf: leuchtende Igel und Katzen, Sonnen, Monde und Sterne, dieganze Vielfalt kindlichen Basteleifers erstrahlt. Bischof Spital undOberbürgermeister Helmut Schröer kommen derweil trotz herbstlicherAbendkühle ins Schwitzen. Denn das Gedränge, eine der begehrtenMartinsbrezeln aus Bischofs und Bürgermeisters Hand zu ergattern, ist dochbeträchtlich. Aber - ob der Heilige geholfen hat - die Brezelnreichen aus. Und so kann Bischof Spital mit der letzten großen Kiste in derHand verkünden: "Jetzt können die Erwachsenen auch noch eine vonmir bekommen."
Als gutes Zeichen für die Ökumene bewertet Bischof Spital imnachhinein die Veranstaltung. Die Kinder beurteilen den Nachmittag konkreter:"Das mit den vielen Kerzen war total schön", lauten da dieKommentare. Und alle die Kinder, die in den kommenden Tagen in ihren Gemeinden zuHause an dem "richtigen" Martinszug mit Pferd und Mantel teilnehmen,werden an die Stunden in Trier denken und viel Neues über Martin wissen.
Text und Foto: Eugen Reiter