Holocaust-Gedenktag:Weder vergessen noch leugnen
Kinder in Lumpen gehüllt, manche gingen barfuß durch den Schnee. Durch den Hunger waren ihre Körper zusammengeschrumpft. „Auch von ihnen ist nur Asche geblieben“, sagte die Überlebende Tova Friedman 80 Jahre nach der Befreiung überlebender Häftlinge des NS-Konzentrationslagers Auschwitz. „Ich dachte, wir würden alle sterben müssen. Ich dachte, es sei normal für ein jüdisches Kind.“ Friedman, die als Kind in Auschwitz war, überstand den Nazi-Terror und teilte wie einige andere Überlebende auch ihre Erinnerungen am 27. Januar bei der Gedenkveranstaltung im früheren Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.
Es könnte das letzte Mal gewesen sein, dass Zeitzeugen bei einer größeren Gedenkveranstaltung zur Befreiung von Auschwitz von den Verbrechen der Nationalsozialisten erzählen. Dieses Gefühl war beim Gedenken zum 80. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen deutschen Konzentrationslagers vorherrschend. Holocaust-Überlebende waren in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau zugegen sowie zahlreiche Staatsoberhäupter.
Zeitzeugen im Zentrum des Gedenkens
Aus Deutschland waren Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit einer Delegation angereist. Im Zentrum der Gedenkveranstaltung zum Jahrestag stehen traditionell die Zeitzeugen. Mehrere Überlebende sprachen von ihren Erinnerungen – und mahnten die Menschen heute, mutig aufzustehen gegen Antisemitismus und Verschwörungsmythen, wie etwa der Präsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, Marian Turski (98).
Steinmeier sagte nach einem Rundgang durch das sogenannte Stammlager Auschwitz I sichtlich berührt, die aus den NS-Verbrechen erwachsene Verantwortung Deutschlands höre nie auf. Was Zeitzeugen zu sagen hätten, sei von unschätzbarem Wert. Nun sei es jedoch auch an den nachfolgenden Generationen, ihre Mahnung an die nächsten Generationen weiterzureichen.
Es muss uns bedrücken, wie viele junge Menschen in Deutschland kaum noch etwas über den Holocaust wissen.
Bundeskanzler olaf Scholz
Zum Holocaust-Gedenktag hatte auch Kanzler Scholz dazu aufgerufen, sich besonders um eine Erinnerungskultur für die jüngere Generation zu bemühen. „Es muss uns bedrücken, wie viele junge Menschen in Deutschland kaum noch etwas über den Holocaust wissen“, sagte er mehreren Zeitungen. „Das ist eine Mahnung und ein Auftrag an uns alle, daran etwas zu ändern.“ Es gelte auch, die Erinnerung hochzuhalten, wenn die letzten Zeugen einmal nicht mehr lebten.
Der Holocaust-Überlebende Christian Pfeil, der Steinmeier begleitete, beklagte ebenfalls zu wenig Wissen über die NS-Verbrechen bei Jugendlichen. Er finde daher, dass für Schüler ein Besuch in einem früheren NS-Konzentrationslager verpflichtend sein sollte.
Papst ruft zum Kampf auf gegen Antisemitismus
Anlässlich des Holocaust-Gedenktags rief Papst Franziskus zum weltweiten Kampf gegen Antisemitismus auf. „Der Schrecken der Vernichtung von mehreren Millionen Juden und Menschen anderen Glaubens in jenen Jahren darf weder vergessen noch geleugnet werden“, so der Papst in seiner Ansprache am 26. Januar beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz vor Tausenden von Pilgern. Weiter sagte Franziskus, er unterstütze alle, die sich am Kampf gegen die „Plage des Antisemitismus“ sowie gegen jede Form der Diskriminierung oder Verfolgung von Menschen aus religiösen Gründen beteiligen.