"Paulinus"-Leserreise 2021:Unterwegs mit zwei starken Frauen
Coronabedingt hatte die „Paulinus“-Leserreise nach Italien um eineinhalb Jahre verschoben werden müssen. Umso größer war die Freude der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sich geimpft und daher mit relativ gutem Gefühl auf den Weg nach und durch Italien machen zu können, um den beiden bedeutenden heiligen Frauen an Orten ihres Wirkens, Lebens und Sterbens zu begegnen.
„Katharina und Klara zeigen uns, dass Frauen im Mittelalter nicht nur beten und schweigen, sondern sich aus Liebe zu Jesus Christus für die Kirche einsetzen, um sie im Geist des Evangeliums zu erneuern.“ Mit diesen Worten stellt Volker Malburg, Regens des Studienhauses St. Lambert in Lantershofen und geistlicher Leiter der Leserreise, die Frauen vor, die im Mittelpunkt der Wege, Führungen und Gottesdienste stehen.
In der 54.000 Einwohner zählenden und auf ihre glorreiche Vergangenheit besonders stolzen Hügelstadt Siena begegnet die Gruppe Katharina, dem 25. Kind eines Färbers, das schon als kleines Mädchen mystische Begegnungen mit Jesus hatte. Ohne in einen Orden „eingesperrt zu sein“, lebte sie ein jungfräulich-klösterliches Leben. Und sie „mischte sich in alles Mögliche ein“, wie Stadtführerin Luise Hoffmann anschaulich schildert. 1377 wurde sie zu einer diplomatischen Mission nach Avignon beauftragt, um den dort im Exil lebenden Papst wieder nach Rom zurückzuholen.
Patronin Italiens, Europas und der Pfarrsekretärinnen
Am 29. April 1380 im Alter von nur 33 Jahren in Rom gestorben und beigesetzt, wurde Katharina sehr bald verehrt. So kam es, dass ihr Körper damals wie heute in der römischen Kirche Santa Maria sopra Minerva ruht, während das Haupt in feierlicher Prozession nach Siena in die Dominikanerkirche überführt wurde. Längst ist Katharina die Schutzheilige Italiens und Europas, 1970 wurde sie von Papst Paul VI. zur Kirchenlehrerin ernannt. „Und zur Schutzpatronin der Pfarrsekretärinnen wurde sie erwählt, weil sie so streitbar war und sich nichts gefallen ließ“, erklärt Reiseteilnehmerin Maria Borens aus Konz-Hamm schmunzelnd. Sie muss es ja wissen, war sie doch viele Jahre in dem Beruf tätig.
Entschieden zu kurz ist der eine Tag des Aufenthalts, um dem besonderen Flair der Geburtsstadt der Heiligen auf den Grund gehen zu können. Hier müsste man länger bleiben und den imposanten „Zebrastreifen-Dom“ mit all seinen Details und „Kunstwerken der großen Meister der Jahrhunderte“ erforschen können. Oder um die Wirkung der vom Rathaus aus fächerförmig angelegten Piazza del Campo intensiv aufzusaugen, auf der – in Zeiten ohne Pandemie – jeweils im Juli und August Menschenmengen die Pferderennen der einzelnen Stadtteile um den Platz herum verfolgen und am Ende nicht etwa den siegreichen Reiter, sondern das beste Pferd bejubeln.
Assisi: Eine Stadt wie aus der Zeit gefallen
Mit einem letzten Blick auf die eindrucksvolle Kulisse der Stadt führt die Reise durch typische Toskana-Landschaft mit Weinhängen und Pinienhainen nach Umbrien. Nicht ganz so streitbar wie Katharina, wohl aber konsequent und in ihrer Zeit ausgesprochen selbstbestimmt war Klara, 1193 oder 1194 geborene Tochter einer Adelsfamilie in Assisi. Noch keine 20 Jahre alt, verließ sie das wohlhabende Elternhaus, um ihrem Vorbild Franziskus zu folgen, dessen Predigt sie gehört hatte.
Schon bei der Anfahrt fasziniert die Silhouette der Stadt am Monte Subasio: Aus der Unterstadt schaut man ehrfürchtig hinauf zu den vielen Kirchtürmen, der mächtigen Burg, zu der riesigen Klosteranlage und der Basilika San Francesco. Hier in der Oberstadt wirkt die Zeit wie stehengeblieben irgendwo im Mittelalter. Wären da nicht Touristen, Autos und die zahlreichen Andenkenläden – es scheint, als müssten Franziskus und Klara gleich um eine Hausecke biegen.
Ohne die beiden Heiligen und die weltweite Verbreitung ihrer Gemeinschaften wäre Assisi heute wohl völlig unbedeutend, erklärt Volker Malburg mit Blick auf die Kirchenbauten, die seither das Stadtbild prägen. Der mächtigste wurde zwei Jahre nach dem Tod des heiligen Franziskus über dessen Grab begonnen.
Auch Franz wurde in den Reichtum des 12. Jahrhunderts geboren, wuchs als Sohn eines Tuchhändlers auf und begann seine Karriere im Militär. Nach einem Feldzug gegen Perugia dann die Wandlung: Franz wählte die Armut, suchte Gleichgesinnte und verschrieb sich dem Leben nach dem Evangelium. Sein radikales Beispiel sollte die Kirche zu Änderung und Erneuerung bewegen. Eindrücklich erzählen die berühmten Fresken in San Francesco vom Leben des Heiligen. Gleich zwei Darstellungen zeigen, wie der Verfasser des Sonnengesangs den Vögeln predigt. „Ein Hinweis darauf, dass er die ganze Schöpfung einbezieht und in allem den Hinweis auf die Liebe Gottes sieht“, erläutert Bruder Thomas, einer der heute 65 Franziskaner aus 20 Regionen.
Die Kirche als Baustelle erlebt
Jährlich rund fünf Millionen Besucher aus allen Teilen der Welt betreuen und führen die Brüder. Sie bringen ihnen ihren Ordensgründer und seine Mission nahe, deuten die Botschaft in den Bildern und Darstellungen und machen deutlich, dass „auch Franziskus die Kirche schon als eine Baustelle erlebte“.
Klara teilte mit ihm die Liebe zum Evangelium, wollte ebenfalls dafür leben. Allerdings ließ die Kirche es nicht zu, dass sie Franz nachfolgte, sondern forderte sie auf, eine Gemeinschaft zu gründen. In der kleinen Portiuncula-Kapelle am Fuß des Berges – damals weit vor der Stadt, heute in der Kirche Santa Maria degli Angeli – übergab Franz ihr die ärmliche Kleidung und schnitt ihr die Haare ab als Zeichen ihres Gelübdes. In San Damiano lebte Klara mit ihrer Schwester, der heiligen Agnes. Bald schlossen sich Frauen an, folgten den Ordensregeln, die erst kurz vor Klaras Tod am 11. August 1253 vom Papst anerkannt wurden.
Auf ihrem Weg von San Damiano zur Portiuncula, an die beiden Herzorte der Heiligen, bekommen die Reisenden ein überdeutliches Gefühl für „die Beschwerlichkeit, die Franz und Klara tagtäglich auf sich nahmen, um die Botschaft Jesu in die Welt zu tragen“. Zwei Stunden lang ist die Gruppe unterwegs, kommt mancher an körperliche Grenzen. Im Nachhinein sei es dennoch eindrucksvoll gewesen, diese Strecke nachzugehen und die Einfachheit des Lebens der beiden zu erfahren, sind sich die Teilnehmer einig.
Von der beschaulichen Einfachheit wechseln sie zur letzten Station der Leserreise: ins üppige, mächtige und imposante Rom, das Stadtführerin Sabine Ruhe „der ersten Gruppe seit März 2020“ vorstellt. Dorthin, wo Franziskus zum Papst in dessen einstigen Palast, die Lateranbasilika, ging, um seine Ordensregeln anerkennen zu lassen. Dorthin, wo Katharinas Körper liegt, seit Jahren wegen Restaurierungen nicht besucht werden kann. Dorthin, wo Papst Franziskus sich um die Erneuerung der Kirche bemüht und nicht müde wird, über „die große Liebe Gottes und das Wirken seiner Gnade bei unserer Erlösung von aller Sünde“ zu sprechen, wie er es vor rund 3000 Gläubigen in der Audienzhalle formuliert.
„Umwerfend, wunderbar, unbeschreiblich“, so beschreibt Brigitte Reddig-Fox aus Arnsberg im Sauerland ihre Eindrücke von der Ewigen Stadt. Selbst routinierte Rom-Reisende wie Domkapitular Klemens Hombach und Volker Malburg sind diesmal besonders beeindruckt: „Es ist unglaublich, den Petersdom ohne Menschenmassen und Absperrungen fast leer zu erleben.“ Auch das ist eine Folge der Pandemie.