Künstliche Intelligenz:Petersdom digital „besuchen“
Nachts nur mit zwei Drohnen und ein paar Kollegen im strahlendhellen Petersdom – daran wird sich Andrea Louis (30) ihr Leben lang erinnern. „Es war eine unglaubliche Erfahrung. Und ich hoffe, dass wir mit dem Ergebnis vielen Menschen Freude machen.“ Die Software-Ingenieurin spricht von dem neuen KI-Projekt rund um die Papstbasilika, das der Vatikan und Microsoft der Öffentlichkeit am 11. November präsentierten.
Die größte Kirche der Christenheit, Ziel von täglich bis zu 60.000 Menschen, kann künftig dank ihres digitalen Zwillings von überall auf der Welt „besucht“ werden. Spätestens zur offiziellen Eröffnung des Heiligen Jahres 2025 an Heiligabend soll dazu eine interaktive Seite online sein, versprachen Kardinal Mauro Gambetti und Microsoft-Chef Brad Smith in Rom. Es sei der digitale Zwilling für eines der großartigsten Gebäude der Welt, sagte Smith.
Außerdem gibt es künftig in der Papstbasilika zwei immersive Ausstellungen mit dem Titel „Petros Eni“ („Petrus ist hier“), die auch neue (kunst-)historische Erkenntnisse ermöglichen. Allein schon der Ort ist spektakulär: In den achteckigen Räumen hoch oben rund um die Kuppel kann man anhand hochauflösender und brillant aufbereiteter Bilder in die rund 1.700-jährige Geschichte der Papstbasilika eintauchen.
Minecraft im Petersdom
Und für die junge Generation soll ab Januar eine Version des Online-Spiels Minecraft auf dem Markt sein, für das der Petersdom nicht nur als Szenerie dient, sondern das auch eine Menge spannend aufbereiteter Infos liefert.
Gerade zum Heiligen Jahr sei es wichtig, auch den Menschen, die nicht zum katholischen Großereignis nach Rom kommen können, die Papstbasilika zu öffnen, sagte Kardinal Gambetti. Darüber hinaus seien dank des KI-Projekts, zu dem der Vatikan und Microsoft demnach im Februar 2022 erste Gespräche führten, Risse in Decken, Wänden oder Kunstwerken sowie fehlende Teile in Mosaiken oder Dächern entdeckt worden, die man ohne die KI nie ausfindig gemacht hätte.
Im Sommer 2023 wurde die komplette Kathedrale mit ihren 22.000 Quadratmetern umbauter Fläche von zwei Drohnen mit hochauflösenden Kameras und Laserscannern vier Wochen lang innen und außen fotografiert, berichtet Software-Entwicklerin Andrea Louis von Iconem. Das auf die Digitalisierung gefährdeter Kulturerbestätten spezialisierte Startup ist neben „Dadada-Studios“ und „Trifilm“ ebenfalls Kooperationspartner des Projekts. Tagsüber wurde außen und in nicht-öffentlichen Räumen fotografiert, von 19 Uhr bis Mitternacht dann im Petersdom, immer in maximaler Festbeleuchtung. „Das machte das finale Modell so hochauflösend und mit Farben, die so nah an der Realität sind“, schwärmt die Expertin.
400.000 Bilder ergeben stimmiges Ganzes
KI sei in vielen Teilen des Projekts unverzichtbar gewesen, nicht zuletzt bei der Zusammensetzung der 400.000 Bilder zu einem stimmigen Ganzen. Dass Papst Franziskus die Projektgruppe am Morgen in Audienz empfangen und ihre Arbeit gelobt hatte, macht Louis zusätzlich stolz. Ausgangspunkt der Kooperation mit Microsoft war unter anderem der 2020 von der Päpstlichen Akademie für das Leben veröffentlichte Aufruf „Rome Call for AI Ethics“. Die Unterzeichner, darunter Unternehmen, Regierungen und Organisationen, verpflichten sich, im Umgang mit KI Grundsätze wie Transparenz, Rechenschaftspflicht, Unparteilichkeit, Zuverlässigkeit, Sicherheit und Datenschutz zu befolgen. Zu den Erstunterzeichnern zählte auch Microsoft-Chef Smith.