Papstreise:Neue Migrationspolitik gefordert
Mit einer großen Freiluftmesse im Fußballstadion von Marseille ist am 23. September die Reise von Papst Franziskus nach Südfrankreich zu Ende gegangen. Rund 50.000 Menschen waren nach Angaben der örtlichen Behörden versammelt, Tausende säumten die Straßen rings um die Sportarena. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ließ es sich nicht nehmen, dabei zu sein – trotz kritischer Stimmen. Die Kritiker, allen voran der linke Politiker Jean-Luc Melenchon, sahen das Prinzip des französischen Laizismus gefährdet.
Eine Vielzahl von Völkern hat Marseille zu einem Mosaik der Hoffnung gemacht, mit ihrer großen multiethnischen und multikulturellen Tradition, der Einwanderung.
Papst Franziskus
Der Papst ging in seiner Predigt nicht darauf ein, er widmete sich grundsätzlicheren Problemen. Wie schon beim Treffen mit Seelsorgern am Vortag beschwor er die in einer schweren Krise dümpelnde katholische Kirche des Landes, sich auf ihren Kern im Glauben zu besinnen – ohne in Selbstbezogenheit zu verfallen. Beinahe poetisch formulierte er: „Wir wollen Christen sein, die Gott im Gebet und ihren Brüdern und Schwestern in Liebe begegnen; Christen, die Freudensprünge machen, die beben, die das Feuer des Geistes aufnehmen und sich dann von den Fragen von heute verzehren lassen, von den Herausforderungen des Mittelmeerraums, vom Schrei der Armen, von den ,heiligen Utopien‘ der Geschwisterlichkeit und des Friedens.“
Damit streifte er in seiner Predigt ein weiteres Mal das andere wichtige Thema seines knapp zweitägigen Besuchs in der Hafenmetropole: die Migration. Durch die Zuspitzung der Lage auf der Insel Lampedusa und an der italienisch-französischen Grenze war die Aufmerksamkeit für seine Worte besonders groß. Franziskus nutzte das für aufrüttelnde Botschaften, die sich an ganz Europa richteten.
Zu einem Mosaik der Hoffnung geworden
Nie zuvor hat sich ein Papst so grundsätzlich über Migration und Integration geäußert. Dass Franziskus sich dafür Marseille als Ort ausgewählt hatte, war nicht ohne Risiko, denn die Hafenmetropole gilt mit ihrer notorischen Gesetzlosigkeit, Kriminalität und ihren sozialen Spannungen als heißes Pflaster. Der häufig gehörte Satz „Marseille ist nicht Frankreich!“ bringt das – mit einem resignierten Unterton – auf den Punkt.
Doch der Papst drehte den Spieß um und sprach beim „Mittelmeer-Treffen“ am Samstagvormittag von einer besonderen Berufung dieser Stadt: „Eine Vielzahl von Völkern hat Marseille zu einem Mosaik der Hoffnung gemacht, mit ihrer großen multiethnischen und multikulturellen Tradition, der Einwanderung.“ Die Teilnehmer an dem Treffen kamen aus allen Anrainerstaaten des größten Binnenmeers der Welt, unter ihnen war auch Macron. Sie feierten die Rede mit stehendem Beifall.
Wie schon beim Gedenken an die ertrunkenen Migranten vor der Basilika Notre-Dame de la Garde warnte der Papst bei dem Treffen vor einem drohenden „Schiffbruch der Zivilisation“. Die Zukunft liege nicht in der Abschottung, „sondern – den jeweiligen Möglichkeiten entsprechend – in der Sicherstellung einer Vielzahl von legalen und regulären Einreisemöglichkeiten, die dank einer ausgewogenen Aufnahme in Europa in Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern möglich sind“.
Während des abendlichen Rückflugs nach Rom zog Franziskus außerdem ein verhalten positives Fazit seines jahrelangen Eintretens für die Rechte von Bootsmigranten. Verglichen mit seiner Reise nach Lampedusa 2013 sei das Bewusstsein für die Problematik inzwischen deutlich gewachsen, sagte er bei der „fliegenden Pressekonferenz“.