Zum Inhalt springen

Studie zu Weltwirtschaft und Sozialethik :Neue Agrarpolitik gefordert

Die Debatte um den Klimawandel hat sich lange um Energie und Verkehr gedreht. Nun mahnen Forscher im Auftrag der Kirche, den Blick auf die Landwirtschaft zu richten. Und Nutzungskonflikte im Konsens zu lösen.
Der Schutz des Klimas und der Artenvielfalt und die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung müssten zusammen angegangen werden, sagt die Kirche in der neuen Studie.
Datum:
9. Okt. 2024
Von:
Christoph Renzikowski

Ein Expertenpapier der katholischen Kirche in Deutschland fordert eine andere Agrarpolitik. Die vor allem auf Flächen bezogenen Subventionen setzten massive Fehlanreize, heißt es in dem in München vorgestellten Text.

Das System befördere den Verlust fruchtbarer Böden und könne das Höfesterben nicht verhindern. Der Schutz des Klimas und der Artenvielfalt sowie die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung müssten zusammen angegangen werden.

Statt einseitig betriebswirtschaftliche Effizienz zu berücksichtigen, sollten Bauern besonders auch dafür honoriert werden, wenn sie nachhaltig agierten und etwa die CO2-Aufnahme auf ihren Äckern verbesserten, so die Fachleute. Die Autoren rufen zu einer „globalen Landnutzungswende“ auf. Die Landwirtschaft sei „ein Hauptverursacher für negative Veränderungen der Erdoberfläche“. In ihrer derzeitigen Form trage sie auch wesentlich zum Artensterben bei. Böden müssten als Gemeingüter betrachtet werden. Es handle sich um „Naturkapital“, das sich nicht beliebig vermehren lasse und der Pflege bedürfe.

Wasserbüffel statt Weiderinder

Weil Klimaschutz mehr Flächen brauche für Windräder, Sonnenkollektoren und den Erhalt der Artenvielfalt, sei die Ausweitung von Ackerflächen auch keine Option mehr. Stattdessen müssten ökologisch wichtige Böden wie Auen und Moore großflächig renaturiert werden. Das erfordere dann auch eine andere Bewirtschaftung, etwa durch Wasserbüffel statt Weiderinder, sagte der Münchner Wirtschaftsethiker Johannes Wallacher der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Lange schienen die Ausbeutung der Natur, die Verschmutzung von Luft, von Wasser und Boden kostenlos. Wir sehen jetzt, wie falsch diese Sichtweise war.

Betram Meier, Bischof von Augsburg

Wallacher ist Vorsitzender der Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“ der Deutschen Bischofskonferenz. Die neue Studie hat rund 70 Seiten und trägt den Titel „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung“. Sie schließt an die von Papst Franziskus 2015 veröffentlichte Sozial- und Umweltenzyklika „Laudato si’“ an.

Die Autoren plädieren für einen neuen politischen Ordnungsrahmen und finanzielle Anreize. Staat und Kirchen sollten als große Grundbesitzer mit gutem Beispiel vorangehen und ihren Pächtern Vorgaben machen, etwa beim Düngen und bei der Schädlings-bekämpfung. Einkommensschwache Verbraucher sollten eine pauschale Prämie erhalten, um sich gesündere, aber auch teurer produzierte Lebensmittel leisten zu können.

Populisten und Lobbyisten entgegentreten

Interessen zwischen Landwirtschaft, Handel und Naturschutz müssten fair ausgeglichen werden. Auch hier könne die Kirche eine Rolle spielen und Akteure zusammenführen. Die vorhandenen Gegensätze zwischen Kleinbauern und Großbetrieben, ökologischer und konventioneller Landwirtschaft, Stadt- und Landbevölkerung sowie dem globalen Norden und Süden seien überwindbar. Dabei müsse aber verhindert werden, dass Populisten und Vertreter von Einzelinteressen bei Nutzungskonflikten die Gräben weiter aufrissen.

Der Augsburger Bischof Bertram Meier erinnerte daran, dass nach der katholischen Soziallehre wie nach dem Grundgesetz Eigentum sozialpflichtig ist. Vorrang vor den Interessen Einzelner, auch der Eigentümer, müsse das Gemeinwohl haben. Dies sei aus dem Blick geraten. „Lange schienen die Ausbeutung der Natur, die Verschmutzung von Luft, von Wasser und Boden kostenlos. Wir sehen jetzt, wie falsch diese Sichtweise war.“ Die katholische Kirche kenne traditionell den Verzicht auf Fleischspeisen am Freitag. Meier, in der Deutschen Bischofskonferenz für Weltkirche zuständig, sprach sich für die Wiederbelebung dieser Tradition aus.

Info

Die Studie „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung“ ist hier abrufbar.