Regelmäßig bietet das Patienten-Informationszentrum des Brüderkrankenhauses Trier in Kooperation mit der Barmer Pflegekasse Kinaesthetics-Kurse an. Diese vermitteln ganz konkrete und praktische Fertigkeiten, wie man seine Angehörigen besser pflegen kann und sich selbst nicht unnötigen gesundheitlichen Risiken aussetzt. Wie hilfreich das Angebot ist, weiß Hildegard Stover zu berichten: „Ich habe einen Strohhalm gesucht und einen tragfähigen Ast gefunden“, berichtet die 76-Jährige.
Seit 1967 ist Hildegard Stover verheiratet. Da ihr Mann 20 Jahre früher geboren wurde als sie, ist dieser nun zunehmend auf Unterstützung angewiesen. Zwar sei ihr Mann noch „relativ mobil“ und geistig topfit, berichtet Hildegard Stover, doch benötige der inzwischen 96-Jährige Hilfe im Alltag, etwa beim Aufstehen oder Anziehen, oder beim Gang zur Toilette. „Ich bin froh, dass ich ihm noch so gut helfen kann“, sagt sie.
Dass es auch schwierige Momente gab und ihr die Pflege physisch zusetzte, verhehlt Hildegard Stover nicht. Sie bekam massive Rückenschmerzen, gegen die Massagen und Physiotherapie helfen sollten. Die Pflege ihres Mannes forderte die ganze Frau, und das tut sie bis heute. Doch weil für Hildegard Stover nie zur Debatte stand, dass jemand anderes als sie selbst ihn pflegen könnte, wurde ihr klar: „Ich brauche auch Hilfe!“
Zum Glück erinnerte sie sich an das Angebot eines Kinaesthetics-Kurses, in dem pflegende Angehörige in mehreren abendlichen Treffen die Lehre der Bewegungswahrnehmung und menschlichen Bewegungsabläufe besser kennenlernen. Das Brüderkrankenhaus Trier bietet diese spezielle Pflegeschulung der Barmer Pflegekasse mit schöner Regelmäßigkeit an.
Ich gehe mit meinem Mann heute ganz anders um. Anfangs wollte ich das Beste machen, heute kann ich viel Gutes tun.
Hildegard Stover
Wer verstehen möchte, was es damit auf sich hat, muss nur einige wenige Minuten den Schilderungen der sehr engagierten Dame lauschen: „Man zieht einen liegenden Menschen nicht einfach hoch. Besser ist es, die physiologischen Kräfte arbeiten zu lassen“, erläutert sie und konkretisiert: „Das sieht dann so aus, dass ich meinen Mann unterstützend umarme und durch passende Impulse an den richtigen Körperstellen mobilisiere.“ Gehen beide in einen parallelen Fluss in die Bewegung, werde das aufrechte Hinsetzen auch für beide einfacher.
Ein weiteres Thema des Kurses: Dekubitusprophylaxe. Hildegard Stover hat noch mehr gelernt: Treppen lassen sich seitwärts sicherer gehen; selbst das Ankleiden im Bett funktioniert problemlos und so, dass man weder dem Angehörigen noch sich selbst unfreiwillig wehtut.
Überhaupt geht es bei Kinaesthetics darum, pflegenden Angehörigen dabei zu helfen, sich selbst zu schonen und darauf zu achten, über die Pflege eines Menschen nicht selbst zum Pflegefall zu werden. „Durch die Kinaesthetics erlernen pflegende Angehörige, wie sie ihren eigenen Körper so entlasten, dass Rücken- und Nackenschmerzen vermieden werden können und pflegerische Handlungen leichter von der Hand gehen“, erläutert Benita Faßbender, examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin im Patienten-Informationszentrum des Brüderkrankenhauses.
Die Pflege eines nahen Angehörigen ist ein durchaus sensibles Thema, weiß Hildegard Stover. Bevor sie den Kurs absolvierte, machte auch sie einiges falsch. Anders ausgedrückt: kinaesthetisch gesehen war noch Luft nach oben. Ihr Mann habe es „geduldig ertragen“, sagt sie. „Er kritisierte mich nie, weil er ja wusste, dass ich das Beste für ihn wollte.“
Die Beiden sprechen offen über ihre Situation, und sie trainieren bereits einen Teil der Übungen, den sie im derzeitigen Stadium der Pflege noch gar nicht benötigen. Hilfreich ist hierbei auch das Arbeitsheft, in dem die Teilnehmenden unter anderem ihre Erfahrungen notieren. „Man ist nicht so hilflos, wie man manchmal glaubt“, beschreibt Hildegard Stover eine wesentliche Erfahrung aus dem Kurs.
Dessen Leiterin, die Kinaesthetics-Trainerin Elfriede Kreuter, nennt sie „ein Juwel“, weil „sie es versteht, situativ auf die ganz unterschiedlichen Belange der einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmer einzugehen; und zwar so, dass auch die anderen noch etwas davon lernen können“.
Der Austausch innerhalb der Gruppe sei ungemein bereichernd, denn so unterschiedlich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie die Schicksale der zu Pflegenden seien, so ähnlich sei doch die Motivation: „Jeder von uns war schon an einem Punkt, an dem er nicht mehr weiter wusste“, bringt es Hildegard Stover auf einen Nenner. Über sich selbst sagt sie: „Ich gehe mit meinem Mann heute ganz anders um. Anfangs wollte ich das Beste machen, heute kann ich viel Gutes tun.“
Auch ihr geht es heute besser dank des Kurses. Massage? Physiotherapie? Benötigt sie im Moment nicht mehr.