Familie:Mann nimmt eine Auszeit

Arbeiten gehen, Ehemann sein und sich dann auch noch die Sportkurse und Arzttermine der Kinder merken - viele Männer kommen ob der Herausforderungen, die eine emanzipiertere Gesellschaft an sie stellt, offenbar an ihre Grenzen. Die wenigsten Männer würden sich das aber eingestehen und sich selbst eine Auszeit gönnen, sagt der Diplompädagoge Michael Grammig vom Bildungswerk der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) in Münster.
Für das Bildungswerk leitet Grammig deshalb verschiedene Reflektionskurse, die sich speziell an Männer richten: das Männerwochenende im Kloster oder die Männer-Inseltage auf Wangerooge. Sein Seminar mit dem vielsagenden Titel „Der kluge Mann nimmt eine Auszeit“ lädt Männer ein, über ihre berufliche und private Lebensbalance nachzudenken.
Vorbilder fehlen
„Es geht darum, wie Männer mit der Herausforderung Karriere und Familienleben umgehen“, erklärt Grammig. „Den Erwartungen, die zum einen ihr Umfeld, aber auch die Männer selbst an sich als moderne Väter stellen, können viele nicht gerecht werden. Das liegt auch daran, dass ihnen die Vorbilder aus vorangegangenen Generationen fehlen.“ Deshalb herrsche unter Männern generell noch immer eine große Unsicherheit, wenn es darum geht, sogenannte Frauenaufgaben zu übernehmen. „Viele hängen noch an dem Stereotyp vom starken Mann, der sich vor allem über seine Erwerbsarbeit definiert.“
Den Erwartungen, die zum einen ihr Umfeld, aber auch die Männer selbst an sich als moderne Väter stellen, können viele nicht gerecht werden. Das liegt auch daran, dass ihnen die Vorbilder aus vorangegangenen Generationen fehlen.
Diplompädagoge Michael Grammig
Einer, der den Rollentausch selbst gewählt hat und seitdem andere dabei unterstützt, ist Kai Bösel. „Ich bin selbst Patchwork-Papa,“ erzählt er. „Meine Frau brachte schon zwei Kinder mit in die Beziehung und hatte eigentlich nicht vor, ein weiteres Kind zu bekommen.“ Voraussetzung, um seinen Wunsch nach einem gemeinsamen Kind zu erfüllen, sei es gewesen, dass die Arbeit paritätisch aufgeteilt werde. „Und ich sollte sie dann auch nicht bei jeder Kleinigkeit fragen, zum Beispiel, wie man die Flasche gibt“, erinnert sich der 53-jährige Hamburger und schmunzelt.
Das Thema Flaschehalten ist nun 13 Jahre her. Schon fast genauso lange schreibt Bösel in seinen Online-Magazinen „Daddy-licious“ und „Not too old“ eben über diese Männerthemen. Sie würden meist nicht von den bekannten Business- und Lifestyle-Männerzeitschriften aufgegriffen, beobachtet er. Anders als für Frauen gebe es zudem kaum mediale Angebote für Väter und deren Alltagsprobleme oder für Männer ab 50, die sich mit ihrer Midlife-Crisis konfrontiert fühlen.
Männer sind schwerer zu erreichen
Das liege auch daran, dass ein männliches Publikum schwerer zu erreichen sei. „Frauen sind generell reflektierter und agieren vorausschauender. Sie suchen sich aktiv die Informationen, die sie benötigen, und treten auch mit anderen Frauen darüber in den Austausch. Männer sind diesbezüglich viel zurückhaltender, bearbeiten ihre Themen lieber in Einzelkämpfermanier.“ Entsprechend gebe es auf seinen Seiten auch viel weniger Kommentare oder Community-Diskussionen, berichtet Bösel.
Bildungsurlaub statt Auszeit
Dass ein Bedürfnis für die Themen da sei, zeige sich aber an den Klickzahlen. „Eine unserer erfolgreichsten Podcast-Folgen ist diejenige über erektile Dysfunktion. Das Thema beschäftigt sehr viele Männer, geredet wird darüber aber kaum.“ Ohnehin werde das Thema medizinische Vorsorge von vielen Männern sträflich vernachlässigt. „Das wird – wenn überhaupt – erst angegangen, wenn es akut ist. Auch diesbezüglich agieren Frauen mit mehr Weitsicht und Selbstfürsorge.“
In den Austausch zu treten mit anderen, die vielleicht ähnliche Sorgen und Probleme haben – das sei für sehr viele Männer ungewohntes Terrain, weiß auch Seminarleiter Michael Grammig. Um die Hemmschwelle für eine Anmeldung zu seinem Auszeit-Programm zu senken, kann der dreitägige Kurs auch als Bildungsurlaub beantragt werden. „Ich mache Bildungsurlaub“ – das sei nämlich für viele Teilnehmer immer noch leichter zu sagen als: „Ich brauche eine Auszeit“.