Papstgesundheit:Kommunikation verändert
In seinen Ansprachen an Medienschaffende betont Papst Franziskus immer wieder seine Dankbarkeit für die Arbeit der Journalisten. Zugleich mahnt er sie, wahrhaftig und am Gemeinwohl orientiert zu berichten und nicht Gerüchte oder üble Nachrede zu verbreiten. Im scharfen Kontrast dazu stand Ende März die vatikanische Informationspolitik, wenn es um die Gesundheit des Papstes ging – und insbesondere um die Umstände seiner Klinik-Einlieferung am Mittwoch vor dem Palmsonntag.
Dürftige und zunächst irreführende Mitteilungen aus dem vatikanischen Presseamt und das Fehlen von Mitteilungen aus der römischen Gemelli-Klinik sorgten dafür, dass wilde Gerüchte ins Kraut schießen konnten. Während das Presseamt unter seinem Direktor Matteo Bruni zunächst von einer geplanten Untersuchung sprach, berichteten italienische Medien über eine akute, lebensbedrohliche Krise.
Von hohem Fieber bis hin zu zeitweiser Bewusstlosigkeit reichten die Berichte in Blogs und auf Twitter. Und sie alle bezogen sich auf anonyme Quellen; mutmaßlich medizinisches Personal in der Gemelli-Klinik. Später wurde aus der geplanten Untersuchung in den Vatikan-Mitteilungen eine Bronchitis; und noch später, bei einer seiner Fliegenden Pressekonferenzen während einer Papstreise, sprach Franziskus von einer fiebrigen Lungenentzündung.
Vielleicht sollte Erkrankung heruntergespielt werden
Möglicherweise gab es eine Strategie dahinter mit dem Ziel, die Erkrankung des Papstes zunächst herunterzuspielen, um ihn nicht öffentlich zu schwächen. Sollte das Verschweigen schlechter Gesundheitsnachrichten im März 2023 Absicht gewesen sein, ging das Kalkül jedenfalls nicht auf. Das Gegenteil trat ein. Vor diesem Hintergrund war es eine 180- Grad-Wende, als der vatikanische Presseapparat am frühen Abend des 7. Juni, wenige Stunden nach dem chirurgischen Eingriff, zu einer Pressekonferenz mit dem operierenden Arzt in die Gemelli-Klinik einlud. Professor Sergio Alfieri berichtete, welche Eingriffe er vorgenommen hatte und warum.
Seit gestern hat er sich dafür entschieden, regelmäßig und präzise zu informieren, beinahe in Echtzeit.
Loup Besmond de Senneville
Und er ging sogar proaktiv auf die seit Monaten wabernden Gerüchte um eine angebliche Krebserkrankung des Papstes ein. Denn in franziskuskritischen Kreisen wurde kolportiert, der Papst werde heimlich regelmäßig in die Gemelli-Klinik gebracht, um dort bestrahlt zu werden. Alfieri kanzelte all dies als falsch ab und sprach von hundertprozentig gutartigen Befunden, und zwar sowohl bei der jetzigen OP als auch bei dem Eingriff im Juli 2021.
Loup Besmond de Senneville, französischer Vatikankorrespondent und Vorsitzender des Vereins der beim Vatikan akkreditierten Journalisten, schrieb anerkennend auf Twitter: „Der Vatikan hat seine Kommunikationsstrategie völlig verändert. (...) Seit gestern hat er sich dafür entschieden, regelmäßig und präzise zu informieren, beinahe in Echtzeit.“
Mediziner korrigiert Papst bei Vollnarkose
Die Transparenzoffensive hat aber auch kuriose Nebeneffekte. So korrigierte der Mediziner Alfieri den Papst, der nach der Operation von 2021 vor Journalisten davon gesprochen hatte, dass er die Vollnarkose nicht gut vertragen habe. Alfieri hingegen bescheinigte seinem Patienten, dass er damals wie jetzt die Vollnarkose gut überstanden habe – auch wenn es dem Papst wohl nicht angenehm war, in die Bewusstlosigkeit einer Narkose geschickt zu werden. Laut den behandelnden Ärzten soll sich Franziskus noch bis Mitte Juni in der römischen Gemelli-Klinik erholen. Der Vatikan hat alle Audienzen bis 18. Juni abgesagt.