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Gute Kritik statt Haarspalterei

Kritik kann verletzen. Dabei ist Kritik an sich doch nichts Schlimmes, sondern konstruktiv vorgetragen durchaus wichtig und hilfreich. Wie kann es gelingen, dass Kritik aufbauend ist? Um diese Frage geht es in der „Paulinus“-Lebensberatung.
„Kritik ist wie ein Pflug oder eine Walze. Wer nicht aufgewühlt wird, bringt keine Früchte hervor. Wer allerdings ständig umgegraben wird, auch nicht.“ Dieses Zitat ist von der Autorin Aba Assa.
Datum:
23. Juni 2019
Von:
Stanislaus Klemm

Vielleicht haben ja viele schon einmal erlebt, dass jemand, dem wir nicht gleichgültig sind, zu uns kommt und uns um ein vertrauliches Gespräch bittet. Er erzählt uns dann, wie ihn irgend etwas in letzter Zeit an unserer Erscheinung, unserem Auftreten oder Verhalten irritiert, gestört, verwundert, persönlich verletzt oder gekränkt hat. Wir spüren ganz deutlich, dass er die Absicht seiner Kritik darin sieht, sachliche Unklarheiten oder Fehler zu beseitigen, nötige Fragen dazu abzuklären oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Aufbauende Kritik ist hilfreich

Wir haben Gelegenheit, über das Gesagte in Ruhe nachzudenken, Fehler einzusehen, sie in Zukunft zu vermeiden oder Missverständnisse auszuräumen. Nur so haben wir die Möglichkeit, uns entweder vor ihm zu rechtfertigen oder aber uns bei ihm zu entschuldigen. Beides baut Beziehung auf. So wird sie geklärt, gestärkt und gefestigt. Berechtigte Kritik wird für uns so zu einem geistigen Humus, pflügt einige unserer verhärteten Gewohnheiten um und kann uns geistig befruchten. Sie kann an unserer Selbstgefälligkeit kratzen. Sie  hilft uns, die andere, uns vielleicht unbekanntere Seite „einer Medaille“ zu beleuchten. Unsere Fähigkeiten und Talente können sich gewissermaßen wie ein Streichholz an der Reibefläche einer ehrlichen, wohlwollende Kritik immer wieder neu entflammen. Eine solche aufbauende Kritik hilft uns, reifer, gerechter, ausgeglichener und in unserem Charakter gefestigter zu werden. Die beste Kritik allerdings, die ohne viel Worte auskommt, wird immer das gute Vorbild bleiben, ganz besonders gegenüber Kindern und Jugendlichen.

Eigentlich müssten wir doch alle entweder in unserer persönlichen oder gesellschaftlichen Entwicklungsstufe wesentlich weiter sein, würden wir all diese positiven Impulse einer Kritik ernsthaft in uns aufnehmen und auch verarbeiten können. Aber leider verbergen sich oft in einer Kritik auch Lieblosigkeit, Neid, Missgunst oder Rachegefühle. Auf diese Weise sollen „alte Rechnungen“ beglichen werden. Kritik kann oft zu schnell, übereilt, zu pauschal, mit der Holzhammermethode einherkommen. Sie will den anderen eben nicht aufbauen, sondern durch „die Mangel drehen“, „in die Pfanne hauen“, „fertig machen“. Ohne ein Lob für Gelungenes wird wohl keine berechtigte Kritik an Misslungenem akzeptiert werden. Mancher „gnadenlose“ Kritiker ist eher ein „Haarspalter“. Die beste Kritik wird Widerstand erzeugen, wenn sie nicht auf Augenhöhe geschieht und schulmeisterlich wirkt. Auch eine extreme und permanente Kritik, also eine Nörgelei, kann irgendwann zu einem nagenden „Holzwurm“ werden, der bei meinem Gegenüber das Gebälk der Gefühle zum Einsturz bringen kann.

Manche Kritik soll nur verletzen

Natürlich stößt aber auch sachlich und fair vorgetragene Kritik auf taube Ohren. Gründe dafür sind entweder eine mimosenhafte Kritikunverträglichkeit infolge eines mangelnden Selbstwertgefühles, oder aber auch das Gegenteil, eine krankhafte Selbstüberschätzung, an der jegliche Kritik abperlt wie ein Wassertropfen an einer Ölhaut.

Heute begegnen uns im Internet in den „sozialen“ Netzwerken wie Facebook immer mehr sogenannte „Kritiker“, denen es überhaupt nicht mehr um wirkliche Kritik geht, sie wollen eher unter dem Schutzmantel feiger Anonymität mit ihrer „Kritik“ dem anderen nur schaden, indem sie seine Persönlichkeit schamlos und geschmacklos verletzen. Solche Menschen sollte man am besten absolut nicht beachten, ihnen also keine Aktionsbühne bieten.

Es wäre allerdings gut, wir würden einer jeglichen, berechtigten Kritik, sei sie gut oder auch schlecht verpackt, letztlich immer so begegnen, wie es der Mann in einer kleinen Geschichte getan hat, nachdem ihm ein Affe eine Kokosnuss an den Kopf geworfen hatte. Dort heißt es, der Mann hätte nun „zwei Möglichkeiten: seine Schmerzen zu beklagen und den Affen zu verfluchen, oder aber sich zu bücken, die Kokosnuss aufzuheben, zu öffnen, ihr Fruchtfleisch zu essen, ihre Milch zu trinken und sich aus den Schalen zwei Schüsseln zu machen.“