Vortrag:Frieden rückt in weitere Ferne
Trier. Der Referent ist heute der Leitende Direktor der Institute des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes in Jerusalem und Amman (Jordanien). Dieter Vieweger kam 1958 in Karl-Marx-Stadt zur Welt. Bequem war er schon als Jugendlicher nicht. Weil er dem herrschenden System zu kritisch war, wurde er 1974 der Schule verwiesen. Dennoch machte er seinen Abschluss auf einer evangelischen Schule und studierte evangelische Theologie, wurde Pfarrer beim Thomanerchor.
Nach der Wende wurde er an die Berliner Humboldt-Universität berufen. Dann, mit 34 Jahren, schlug er das nächste Kapitel auf und studierte Archäologie. Denn er wollte wissen, wie es an biblischen Stätten zu Zeiten des Alten Testaments ausgesehen hat und wie die Menschen damals lebten. Seit 1994/95 war Vieweger bei Grabungsarbeiten in Israel, Syrien und Jordanien.
Es muss eine Veränderung geben. Wir können nicht von einem Krieg zum anderen leben.
Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Dieter Vieweger
Das Thema „Streit um das Heilige Land“ beschäftigt Dieter Vieweger, seit er 2005 die Aufgabe des Leitenden Direktors der Institute für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes in Jerusalem und Amman übernahm. Im Juli 2010 veröffentlichte er das Buch „Streit um das Heilige Land – Was jeder vom israelisch-palästinensischen Konflikt wissen sollte“. Ein Buch, das auch in achter Auflage brandaktuell geblieben ist.
„Sie dürfen mich alles fragen“, begrüßt der Referent sein aufmerksam lauschendes Publikum im Hörsaal 10 der Theologischen Fakultät Trier und ergänzte gleich: „Fragen Sie mich nicht, wie der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern enden wird.“ In einem Punkt sei er sich sicher: „Es muss eine Veränderung geben. Wir können nicht von einem Krieg zum anderen leben.“
Anspruch auf Jerusalem ist eines der Probleme
Damit geht Vieweger auf die Geschichte Israels ein, die von den Römern und später von Arabern und Briten maßgeblich beeinflusst wurde. Immer wieder sei das Land, auf dem Juden und Palästinenser lebten, neu aufgeteilt worden, was zu wiederkehrenden Unruhen führte. Heute bewohnten Juden 77 Prozent der Fläche, Palästinenser die restlichen 23 Prozent – eine Aufteilung, die von der UNO bestimmt worden sei. „Was kein großer Wurf war. Aber immerhin hatten die Juden jetzt ihren eigenen Staat.“
Der sei den Palästinensern wiederum verwehrt geblieben. Entsprechende Pläne habe es gegeben, die am Widerstand von Jordanien und Ägypten aber gescheitert seien. Ein weiteres Problem benennt der Fachmann: „Juden und Palästinenser beanspruchen Jerusalem als Hauptstadt.“ Hier müsse man ansetzen, wolle man zu einer Lösung kommen. Erschwerend sei allerdings die verschiedene soziale Struktur beider Gesellschaften.
Einen weiteren Konfliktpunkt führt Professor Vieweger an: „Jordanien und die Westbank haben zu wenig Wasser, Israel dagegen dank der Meerwasser-Entsalzungsanlagen im Überfluss und deshalb viel blühendes Land.“ Im übertragenen Sinne gelte das auch für die Technik, die Israel neben hohem Ansehen auch viel Geld in die Kassen spüle.
Für den Friedensprozess braucht es viel Vertrauen
Das größte Problem aber sieht der Professor im zwischenmenschlichen Bereich. „Man braucht sehr viel Vertrauen für einen Friedensprozess – doch das ist im Moment leider nicht gegeben.“ Eine nicht geringe Mitschuld an der Lage trage Benjamin Netanjahu, der laut Vieweger vor allem ein „Spalter“ sei.
Beim Blick auf den aktuellen Konflikt beklagt Prof. Vieweger: „Noch immer haben wir nicht alle Geiseln zurück, noch immer ist das System nicht erkundet, noch immer haben wir nicht die Anführer des Terrors.“ Indem die Völker durch den Terror immer weiter auseinanderrückten, rücke auch der Frieden in immer weitere Ferne. „Die zerrissene israelische Gesellschaft leidet darunter, nicht in Frieden leben zu können. Die Frage ist: Wo liegt die Zukunft?