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Israel:Es weht ein rauer Wind

Die Bischöfe in Israel fordern vom Staat ein Durchgreifen gegen Gewalt an Christen. Der Trierer Bistumspriester Stephan Wahl hofft auf Neuwahlen im Land.
Menschen halten am 24. Juli israelische Flaggen hoch während einer Demonstration gegen die geplante Justizreform in Israel.
Datum:
4. Aug. 2023
Von:
KNA

Angesichts zunehmender Angriffe auf Christen und christliche Stätten in Israel haben die katholischen Bischöfe des Landes die Behörden zum Handeln aufgefordert. Die sonst überaus aktiven Strafverfolgungsbehörden seien „offenbar unfähig, diesen Angriffen Einhalt zu gebieten“, heißt es in einer am 28. Juli verbreiteten Stellungnahme der bischöflichen Kommission Justitia et Pax. 

Delikte wie Anspucken, Beschimpfungen, körperliche Gewalt sowie Vandalismus und Graffiti würden meist von jüdisch-extremistischen Jugendlichen verübt. Der Appell richte sich daher auch an Pädagogen, Religionsführer und Eltern. Es sei unverständlich, dass die zuständigen staatlichen Stellen diese „Manifestationen der Verachtung“ weiterhin zuließen, heißt es in dem Dokument der Bischöfe. 

Konkret erwähnt die Kommission die jüngsten Vorfälle um das Karmeliterkloster Stella Maris in Haifa, wo es zuletzt wiederholt zu Zusammenstößen zwischen Christen und strengreligiösen Juden kam. Hintergrund sind seit Monaten anhaltende Besuche ultraorthodoxer Gläubiger, die die Grabstätte des Propheten Elischa in der Klosterkirche vermuten. Dies wird von einheimischen Christen als bloße Erfindung zurückgewiesen.

Sorge in Stella Maris vor extremistischen Gruppen

Die Ereignisse in Haifa ließen bei Christen die Sorge aufkommen, dass extremistischen Gruppen die Kontrolle über die Stätte übernehmen könnten, so die Kommission. Entsprechende Beispiele gebe es in Nablus und Hebron. Die Geschichte habe „leider gezeigt, dass das, was heute als empörendes Verhalten einer Minderheit erscheint, morgen zur akzeptierten Praxis einer Mehrheit werden kann“. 

Wir bedauern die Serie von verbalen und physischen Angriffen gegen christliche Geistliche und Gläubige.

Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt

Die Konferenz Europäischer Rabbiner verurteilte die Angriffe auf Christen in Jerusalem. „Wir bedauern die Serie von verbalen und physischen Angriffen gegen christliche Geistliche und Gläubige“, sagte Präsident und Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt am 23. Juli in München. „Diese Handlungen stehen in direktem Widerspruch zu den Werten der Religionsfreiheit, auf denen Israel gegründet wurde, und zu den religiösen Lehren des Judentums.“ 

Die israelische Gesellschaft spaltet sich nach Einschätzung des deutschen Priesters und Buchautors Stephan Wahl immer weiter in ein jüdisch-nationalreligiöses und ein säkular-demokratisches Lager. Beide stünden sich hasserfüllt gegenüber. Welche Konsequenzen die Umsetzung erster Teile der umstrittenen Justizreform für das Land und für seine arabische und christliche Minderheit haben wird, werde sich „in den nächsten Wochen und Monaten zeigen“, sagte Wahl dem Portal „domradio.de“. Der Trierer Diözesanpriester war von 2018 bis 2021 Leiter des Paulushauses, des Gästehauses des Deutschen Vereins vom Heiligen Land in Jerusalem. Seither lebt er in Ostjerusalem.

Seit neuer Regierung mehr Übergriffe auf Christen

Was bisher passiert sei, sei nur der Rahmen für mögliche spätere Gesetze, die „das Leben der Palästinenser, vielleicht auch der Christen“ erschweren könnten, so Wahl. Seit Amtsantritt der Regierung zum Jahreswechsel hätten Übergriffe auf Christen zugenommen, wenngleich die Angriffe nicht zu vergleichen seien mit pogromartigen Angriffen nationalreligiöser Siedler auf andere Palästinenser. 

Insgesamt zeigte sich Wahl pessimistisch, was Lösungsansätze für die innerisraelischen Auseinandersetzungen angeht. Man könne nur hoffen, „dass diese Regierung irgendwann implodiert und es zu Neuwahlen kommt“. Er sehe aber die Gefahr, dass die Spaltung zwischen beiden Gruppen im Land nur weiterwachse und unversöhnlicher werde.