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Resilienz:Ein ganz gewöhnliches Wunder

Schlechte Nachrichten, Stress im Beruf, Alltagsbelastungen – vieles nagt an der inneren Kraft. Wie sich diese stärken lässt und was das mit guten Vorsätzen zu tun hat, verrät ein neues Buch.
Den eigenen Körper gut behandeln ist ein wichtiger Resilienzfaktor.
Datum:
17. Jan. 2025
Von:
Angelika Prauß

Weniger Alkohol, mehr Sport, Verzicht auf Fastfood – wohl jeder hat zum Jahresende schon gute Vorsätze gefasst und ist kurz darauf kläglich gescheitert. Warum gute Vorsätze meist scheitern und wie man sie erfolgreich in die Tat umsetzt, das ist für den Berliner Psychiater Henrik Walter auch eine Frage der Resilienz. Jeder könne sie aktiv beeinflussen – für Walter ist sie deshalb „ein ganz gewöhnliches Wunder“.

Resilienz definiert er als eine Art „psychisches Immunsystem“. In seinem Buch „Resilienz – zwischen Coach und Couch“ (siehe Info) erläutert der Leiter des Fachbereichs „Mind and Brain“ an der Berliner Charité, was jeder selbst für sein persönliches Wohlbefinden, Glück und Sinnerleben tun kann.

Zugleich outet sich der Hirnforscher, kein Freund von Ratgebern zu sein – diese machten ein schlechtes Gewissen, weil man selbst an vielem scheitere. Ein Grund für deren Beliebtheit: Das Lesen erzeuge gute Gefühle, weil man ja durchaus etwas ändern könnte, wenn man wirklich wollte. Aber: „Nur weil wir Zusammenhänge durchschauen, ändern wir uns nicht automatisch.“

Den eigenen Körper gut behandeln

 Walter will indes Hilfestellung geben, wie jeder ins Tun kommen kann und damit auch die innere Widerstandskraft stärkt – auch ohne Coach oder Therapeut. Eine Voraussetzung: Wer mental gesund sein möchte, sollte den eigenen Körper gut behandeln – durch ausreichend Bewegung und Schlaf sowie gesunde Ernährung. Körperliche Aktivitäten – ob Sport, sanfte Berührungen oder Sex – sorgten für die Ausschüttung von körpereigenen Opioiden. Zugleich würden neurobiologische Mechanismen in Gang gesetzt, die wiederum das psychische Wohlbefinden beeinflussten.

Manchmal halten wir zu lange durch, verschließen uns besseren Alternativen und verhindern dadurch einen positiven Ausgang.

Psychiater Henrik Walter

Um resilienter zu werden, müsse man grundsätzlich etwas „neu, anders oder besser machen“. Das gewohnte Verhalten zu ändern, sei aber schwierig. Auch das Wissen um richtiges Verhalten reiche noch nicht zur Verhaltensänderung. Zudem neigten Menschen gerade unter Stress dazu, in alte Gewohnheiten zurückzufallen.

Nach Beobachtung Walters sind Menschen oft erst zu einer Veränderung bereit, wenn es gesundheitlich eng wird – nach einer Krebsdiagnose, einem Herzinfarkt oder einer schweren Depression. Warum muss erst etwas passieren? Der Psychiater kennt den Grund: Änderungen der Lebensweise würden als Verzicht auf Liebgewonnenes, Selbstkasteiung oder unangenehme Anstrengung erlebt. All dies erschwere es, wider besseren Wissens neue und gesündere Verhaltensweisen und Einstellungen einzuüben.

Positive Wechselwirkung ist entscheidend

Beispiel Sport: Jeder weiß, dass man sich nach einer Sporteinheit meist besser fühlt. Dennoch siegt oft der innere Schweinehund. Um ein Gesundheitsverhalten zu ändern, wird aus Sicht von Walter ein wichtiger Aspekt oft übersehen: „Das Ganze muss Spaß machen.“ Quäle man sich zum Sport, helfe alles Wissen um die Vorteile von Bewegung nichts. Positive Erlebnisse während der sportlichen Aktivität seien für das Durchhalten entscheidend. Dasselbe bei der Ernährung. Walter outet sich, früher nur ungern Salat gegessen habe. Erst als er Salate kostete, die ihm auch schmeckten, änderte er sein Essverhalten. Diese positive Wechselwirkung sei entscheidend.

Lernen für ein positives Ziel

In anderen Fällen ist auch eine Willensanstrengung gefragt. Etwa wenn eine unangenehme Situation wie das Lernen für eine Prüfung für ein positives Ziel – ein gutes Zeugnis – ausgehalten werden muss. Oder auch, um der Versuchung zu widerstehen, etwas im Moment Angenehmes zu tun, dass langfristig negative Folgen haben wird – wie der abendliche Griff zur Chipstüte beim Fernsehen.

Um diesem Dilemma zu entkommen, muss laut Walter schon die Willensanstrengung positiv unterfüttert sein. Demnach reicht es also nicht, nur zu wissen, dass man sich später gut fühlen wird – man muss es schon während der Willensanstrengung fühlen. Walter wirbt für einen realistischen Blick und das Erkennen der eigenen Grenzen. Verbissen an einem Ziel festzuhalten, kann mitunter kontraproduktiv sein. „Wer ständig starken Widrigkeiten trotzen muss, um seine Ziele zu erreichen, wird in der Regel einen Preis dafür bezahlen müssen.“

Fazit: „Manchmal halten wir zu lange durch, verschließen uns besseren Alternativen und verhindern dadurch einen positiven Ausgang“, sagt Walter. Seine Empfehlung: „Wir sollen erkennen, was wir durchhalten können, wann wir uns ändern müssen und wann wir aussteigen sollten.“

Info

„Resilienz – zwischen Coach und Couch“, Becker Joest Volk Verlag, ISBN 978-3-95453-319-0, 325 Seiten, 28 Euro.