Hilfstransporte:Die Hilfe für Kroatien geht weiter
Bell. Die Ära der von Wolfgang Schlich im Jahr 1993 gegründeten und ab 2008 von Peter Wölwer fortgesetzten privaten Hilfstransporte ins ehemalige Jugoslawien neigt sich ihrem Ende zu. Wenn Wölwer mit seiner Frau Erika kurz nach dem Patronatstag von St. Martin zum letzten Mal nach Vukovar aufbricht, ist es für ihn die 101. Fahrt dorthin.
Im Herbst 1992 waren unter anderem in Bell Familien gesucht worden, die dazu bereit waren, während der Ferienzeit Kinder aus dem kriegsgebeutelten Kroatien aufzunehmen. Bäckermeister Schlich und seine Ehefrau nahmen zwei Kinder auf – und von da an stand für sie fest, dass man noch mehr helfen müsse. Als die Kinder nach den Ferien wieder nach Hause fuhren, wurde der Bus auf der Fahrt nach Kroatien bis unters Dach mit dringend benötigten Hilfsmitteln vollgepackt.
Kurz darauf beschloss Schlich, einen Bus zu mieten, mit Hilfsgütern vollzuladen und zu den Kindern nach Kroatien zu bringen. Da er vor Ort keinen konkreten Ansprechpartner hatte, wandte er sich an die Kirche, die ihn an die Caritas in Kroatien vermittelte. So entstand im Jahr 1993 die Kroatienhilfe Bell. Grundgedanke war und ist bis heute, dass die Hilfe für alle Bedürftige bestimmt ist – „egal welcher Herkunft, Hautfarbe oder Religion“.
Auch Mostar in Bosnien-Herzegowina angesteuert
Mehr als 70-mal hatte Wölwer mit dem inzwischen 89-jährigen Wolfgang Schlich die Strapazen der langen Tour auf sich genommen, um Not zu lindern – vor allem die von Kranken, Alten und Waisen. Für die Fahrt mit einem vollgepackten Transporter benötigten sie oft mehr als 24 Stunden. Besonders nervenaufreibend und eine wahre Belastungsprobe waren die teils langen Wartezeiten an den Zollkontrollen. Häufig besuchten die Ehrenamtler das Kinderheim St. Ana in Vukovar und die Caritas-Zentrale in Mostar in Bosnien-Herzegowina.
Es ist eine Bürde, die man ablegt.
Peter Wölwer
Die Freude und Dankbarkeit, die die Bedürftigen zeigten, waren überwältigend und ein Ansporn für weiteres Engagement. Aus Altersgründen hat der mittlerweile 70-jährige Wölwer beschlossen, mit den – zuletzt zweimal jährlich durchgeführten – Transporten nach Vukovar aufzuhören. „Es ist eine Bürde, die man ablegt“, erklärt der Ehrenamtler.
Doch die Hilfe endet nicht komplett. Das Geld, das an St. Martin in Bell mit dem Verkauf von warmen Getränken und frischem Brot erlöst wird, soll weiter der Caritas in Vukovar zugute kommen. „Das sind manches Mal so an die 1.000 Euro“, berichtet Wölwer.
Auch bei seinem letzten Transport steuert das Ehepaar die Caritas in Vukovar mit Medikamenten, Hygieneartikeln, Weihnachtspäckchen, orthopädischen Hilfsmitteln und vielem anderen mehr an. Der katholische Wohlfahrtsverband verteilt die Hilfsgüter an die Bedürftigen weiter.
Region um Vukovar gehört zu den ärmsten des Landes
Auch Jahrzehnte nach dem Krieg gehört die Region um Vukovar zu den ärmsten Kroatiens. Die Stadt, die 1991 fast völlig zerstört wurde, liegt an der Grenze zu Serbien. Viele Bürger, die Vukovar nicht verlassen haben, kämpfen ums finanzielle Überleben. Da es an Arbeitsplätzen mangelt, wandern viele gut ausgebildete junge Leute aus. Die Löhne seien niedrig, die Preise aber so hoch wie in Zagreb, erklärt Wölwer.
An vielen Stellen in der Stadt sei noch zu erkennen, dass in ihr die schlimmste Schlacht des Bürgerkriegs tobte. Die 1990 noch rund 44.000 Einwohner zählende Stadt ist heute auf 22.000 Einwohner geschrumpft. Vukovar fiel am 18. November 1991 in serbische Hand. Heute wird an dem Tag offiziell der Opfer gedacht. „Dann kommen die Menschen von überall her, um der Toten zu gedenken.“