Bischofswort:Die Botschaft der Hoffnung
In dem Schreiben, mit dem der Papst das Heilige Jahr angekündigt hat, heißt es: „Im Herzen eines jeden Menschen lebt die Hoffnung als Wunsch und Erwartung des Guten, auch wenn er nicht weiß, was das Morgen bringen wird. Die Unvorhersehbarkeit der Zukunft ruft jedoch teilweise widersprüchliche Gefühle hervor: von der Zuversicht zur Angst, von der Gelassenheit zur Verzweiflung, von der Gewissheit zum Zweifel. Oft begegnen wir entmutigten Menschen, die mit Skepsis und Pessimismus in die Zukunft blicken, so als ob ihnen nichts Glück bereiten könnte.“
Diese Sätze beschreiben gut die zwiespältigen Gefühle, die sehr viele Menschen empfinden. Was der Papst vor Monaten formuliert hat, das hat in den letzten Wochen an bedrängender Aktualität gewonnen: Ich denke etwa an den Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA, an das Ende der Regierungen in Deutschland und Frankreich und natürlich an die fortdauernde Gewalt gegen die Ukraine und im Nahen Osten. Ob der Sturz des diktatorischen Regimes von Präsident Assad in Syrien zu einer wirksamen Verbesserung für das Land und alle seine Bewohner führt, wird sich zeigen müssen. Die Hoffnung darauf darf man haben.
Der Mensch als Hoffnungswesen
„Die Hoffnung stirbt zuletzt“, so heißt es häufig. Wenn das keine floskelhafte Durchhalteparole sein soll, dann stellt sich die ernste Frage, was uns als Menschen eigentlich zur Hoffnung berechtigt. Wieso halten wir so sehr und oft gegen allen Augenschein an der Hoffnung fest?
Ich glaube, es liegt zunächst einfach daran, dass wir Menschen von unserer Anlage her Hoffnungswesen sind. Hoffnung zu haben, ist eine wesentliche Energie, um leben zu können. In jedem Augenblick unseres Lebens greifen wir aus auf die Zukunft: auf die nächsten Augenblicke, die folgen, die nächsten Tage, die kommende Zeit. Ohne dieses beständige Ausgreifen auf die Zukunft könnten wir nicht leben. Dieses „Nach-vorne-Leben“ ist aber schon ein Akt der Hoffnung: Wir setzen darauf, dass uns nicht nur in diesem Augenblick, sondern auch morgen und übermorgen Leben gegeben ist; dass uns das Leben positiv entgegenkommt. Wer diese Hoffnung nicht hegt, wird resignieren, wird mutlos und nicht selten zynisch.
Gott hat die Lust am Menschen nicht verloren
Zu den ursprünglichsten Hoffnungserfahrungen, die wir Menschen machen, gehört die Geburt von Kindern. „Das einfache Dasein, das stets neue Geborenwerden und Aufwachsen von Kindern ist zweifellos eine der tiefsten ‚Hoffnungsressourcen‘ der Menschen“, hat der Frankfurter Theologe Medard Kehl einmal formuliert, und dem indischen Dichter Rabindranath Tagore wird das bekannte Wort zugeschrieben: „Jedes Kind bringt die Botschaft, dass Gott die Lust am Menschen noch nicht verloren hat.“
Das Grab wird zur Krippe des neuen Lebens.
Bischof Ackermann
Diese menschliche Erfahrung nimmt Gott auf und verstärkt sie auf einzigartige Weise dadurch, dass er selbst Mensch wird, selbst als Kind zur Welt kommt. Wenn das aber so ist, dann ist es ein Glück, geboren worden zu sein. Dann ist es gut, ein Mensch zu sein. Dann dürfen wir Hoffnung haben, zumal das Kind von Bethlehem nicht in privilegierten Verhältnissen zur Welt kommt, aufwächst und leben wird: Heimatlosigkeit, Flucht und Verfolgung, Unverständnis, Verleumdung, Verrat und ungerechte Verurteilung werden seinen Lebensweg begleiten.
Gott sei Dank werden diese Erfahrungen am Ende nicht das letzte Wort behalten, weil Gott selbst für dieses Leben einsteht, indem er Jesus aus dem Tod auferweckt. Das Grab wird zur Krippe des neuen Lebens. Das ist der tiefste Grund christlicher Hoffnung.
Erfahrungen, die zu Hoffnung berechtigen
Wer aus dieser großen Hoffnung lebt, der gewinnt auch einen Blick für die kleinen, alltäglichen Hoffnungen. Wer aus dieser großen Hoffnung lebt, für den werden die kleinen, stärkenden Erfahrungen im Alltag zu leuchtenden Steinchen im großen Mosaik der Hoffnung. Freilich gilt es, diese Lichtpunkte bewusst wahrzunehmen: Ein solcher Lichtpunkt kann zum Beispiel ein Vorhaben sein, für das man sich eingesetzt hat und das gelingt. Zu einem Lichtpunkt kann eine Krisensituation werden, die man gemeistert hat. Was für ein Lichtblick, wenn die Verständigung zwischen unvereinbar scheinenden unterschiedlichen Positionen und Gesprächspartnern glückt. Wo eine Idee oder Initiative sich spürbar auf die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen auswirkt, wo in einem bestimmten Feld echte Fortschritte erkennbar sind, behält die Hoffnung recht.
Ganz besondere Bestärkung erfährt die Hoffnung natürlich durch solch positive epochale Ereignisse wie den Sieg der friedlichen Revolution im November 1989 in unserem Land oder etwa auch die ungeahnt schnelle Entwicklung von Impfstoffen gegen das Corona-Virus. Aber auch das Erleben von Kunst, von Schönem allgemein – denken wir an die nach dem verheerenden Brand glanzvoll wiedereröffnete Kathedrale Notre-Dame in Paris – bestärkt in uns die Hoffnung, dass Dinge wirklich gelingen können.
Wo öffnet Gott Türen?
Vor kurzem stieß ich auf ein Interview mit Kira Geiss, der Miss Germany des vergangenen Jahres. Die junge Frau, die persönlich schon schwierige Zeiten durchlebt hat, macht keinen Hehl aus ihrer christlichen Überzeugung. Sie hat vor einigen Monaten darüber auch im Rahmen einer Veranstaltung in unserem Bistum Zeugnis gegeben (vgl. „Paulinus“ vom 12. Mai).
Die Feier des Weihnachtsfestes und der Beginn des Heiligen Jahres wollen uns dazu anregen, uns nicht auf das zu fixieren, was uns entmutigt und pessimistisch sein lässt, sondern auf das zu hören und zu schauen, was in uns die Hoffnung bestärkt.
Bischof Ackermann
Auf die Frage, wie sie mit negativen oder gar beleidigenden Kommentaren umgeht, die sie bekommt, gibt Kira Geiss offen zu, dass es sie trifft, wenn Aussagen von ihr verfälscht werden oder sie als naiv dargestellt wird. In solchen Situationen merke sie aber auch, dass es nicht ihre Aufgabe ist, sich auf negative Kommentare zu fokussieren, „sondern zu schauen, wo öffnet Gott damit Türen? Wo kann ich wirken? Wo kann ich von ihm sprechen? Wo darf ich Segen sein für andere Menschen? Oder will er vielleicht, dass ich persönlich wachse? Und dann merke ich richtig, dass ich mich von Gott abhängig machen muss und nicht von irgendeinem Kommentar“.
Die Feier des Weihnachtsfestes und der Beginn des Heiligen Jahres wollen uns dazu anregen, uns nicht auf das zu fixieren, was uns entmutigt und pessimistisch sein lässt, sondern auf das zu hören und zu schauen, was in uns die Hoffnung bestärkt. Dazu liefert uns der Glaube gute Gründe. Allen Leserinnen und Lesern unseres „Paulinus“ wünsche ich mit ihren Lieben ein gesegnetes Weihnachtsfest!