Weihnachten:Dem Geheimnis der Weihnacht auf der Spur
Die älteste Krippenaufstellung in der Geschichte ist uns aus dem Jahre 1223 überliefert und geht auf den heiligen Franz von Assisi zurück. Der Gesinnung von Jesus Christus verpflichtet, der in Armut zur Welt gekommen ist, wollte er das Geheimnis der Menschwerdung Gottes im Kind von Betlehem zu einem geistlichen Erlebnis machen. Mit Unterstützung der Bauern von Greggio schuf Franziskus zum Weihnachtsfest die erste Krippe für die Bewohner in den Bergen Umbriens mit lebendigen Tieren und einem Stall mit Heu und Stroh. Dieser Brauch hat sich in unseren Landen tief in die Volksfrömmigkeit eingeschrieben. Kleine und Große finden in ihr einen unmittelbaren Zugang zur Botschaft der Heiligen Nacht. Die alte Erzählung vom göttlichen Kind, das in einer Krippe im Stall zur Welt kam, weil in den Herbergen von Bethlehem kein Platz war, regt immer wieder zu neuen und aktualisierenden Darstellungen an.
800 Jahre später hat der Dom eine neue Krippe erhalten. Sie hat ihren Platz auf der Südseite der Altarinsel gefunden. Die Darstellung der Geburt Christi in der Marienkapelle als Stuckrelief aus dem Jahr 1740 hat viele nicht zufrieden gestellt. Eine Weihnachtskrippe muss man umschreiten und aus der Nähe bestaunen! Die neue Krippe kommt diesem Wunsch entgegen. Nach dem Auslobungsverfahren und dem Votum einer Jury hat sich das Domkapitel Anfang Juni für den Entwurf des Holzschnitzers Hubert Mussner aus Wolkenstein in Südtirol entschieden. Dieser versprach, die Krippe bis Weihnachten fertigzustellen. Herr Mussner hat Wort gehalten. Pünktlich zum Hochfest der Erwählung Mariens sind die Krippenfiguren in Trier eingetroffen.
Zwei Gruppen mit fünf eigenständigen Figuren
Die Domkrippe besteht aus zwei Gruppen mit fünf eigenständigen Figuren mit einer Größe von etwa 160 Zentimetern. Die Figuren sind in minimalistischer Art geschnitzt, so als sollte nichts vom Kern der Weihnachtsbotschaft ablenken. Dem gegenüber hat der Künstler besonderen Wert auf das Gesicht und die Hände der Figuren gelegt. Denn darin hat er mit viel Liebe zum Detail den Charakter der Persönlichkeiten an der Krippe, gleichsam ihre Seele, herausgearbeitet. Es lohnt sich, bei der Betrachtung der Krippe den Blick darauf zu konzentrieren und sich von ihnen berühren zu lassen.
Maria mit dem Jesuskind bildet den Mittelpunkt. Auf dem Boden sitzend und mit aufgerichtetem Oberkörper hält sie Jesus auf ihrem Schoß. Vom Betrachter aus links versetzt ist Josef in einer sitzenden Haltung hinter dem Rücken Mariens dargestellt. Damit kommt zum Ausdruck: Ich gebe dir jetzt den notwendigen Halt. Das unterstreicht auch seine rechte Hand, die zärtlich ihre Schulter berührt.
Der Heiligen Familie gegenüber befindet sich die zweite Gruppe, bestehend aus drei stehenden Menschen. Zwei von ihnen neigen sich staunend dem Kind zu. Die dritte Person ist dem Betrachter zugewandt und weist mit der rechten Hand auf das Kind hin. Die Figuren sind so positioniert, dass der Blick wie von selbst auf Maria mit dem Kind gelenkt wird. Wie eine offene Schale birgt sie das Jesuskind auf ihrem Schoß. Ihre Hände halten es behutsam fest, ohne zu klammern.
Die Marienfigur bringt damit zum Ausdruck, was sie bei der Verkündigung zum Engel Gabriel gesagt hatte: „… mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1, 38). In der Komposition der Heiligen Familie stärkt Josef Maria den Rücken und bringt zum Ausdruck: Ich stehe zu dir und zu deiner Berufung, auch wenn für mich die Umstände deiner Schwangerschaft und der Geburt des Jesuskindes ein unbegreifliches Geheimnis sind. Ungewohnt für unser Auge ist die Lage des Jesuskindes sperrig quer zum Körper Mariens. Diese ungewöhnliche Darstellung könnte bereits auf seine Sendung als Heiland und Erlöser hinweisen.
Drei Figuren stehen für die Vielfalt der Menschen
Drei Menschen stehen bei der Krippe. Sind es Hirten, sind es die drei Weisen aus dem Morgenland? Das bleibt der Deutung der Betrachtenden überlassen. Was sie verbindet: Es sind zeitgenössische Persönlichkeiten mit markanten Gesichtern, die das Kind in der Krippe in ihren Bann gezogen hat. Nach Aussage des Künstlers stehen die Drei für die Vielfalt der Menschen und der Menschheit: Männer und Frauen, Einheimische und Fremde mit einer Migrationsgeschichte ...
Der Mann, der unmittelbar vor der Krippe steht, neigt sich in Ehrfurcht dem Kind zu. Daneben steht die mittlere Figur mit einem jugendlichen Gesicht, eine Frau, ein Mann? In ihrer Betrachtung scheinen die Beiden das Geheimnis von Weihnachten zu meditieren. Schließlich wenden wir uns der dritten Person zu. Mit weit ausladender Geste empfängt sie die Menschen auf dem Weg zur Krippe und verweist mit der rechten Hand auf das Jesuskind.
Der Standort der Figurengruppe an der südlichen Ecke der Altarinsel lädt zu weiteren Betrachtungen ein. Zu Füßen der drei Besucher-Figuren befindet sich in den Boden eingeritzt ein Labyrinth. Für viele symbolisiert es die Wege und Umwege, die Menschen in ihrem irdischen Leben zurücklegen müssen. Für Gläubige enthält das Labyrinth die frohe Botschaft, dass alle Lebenswege zu Christus, dem auferstandenen Herrn führen. Daran erinnert auch der Osterleuchter des Künstlers Ernst Alt in unmittelbarer Nähe der Figuren. Damit schlägt die eigenwillige Darstellung des Jesuskindes in den Händen Marias, die an die Pietá erinnert, einen Bogen zwischen Krippe, Kreuz und Auferstehung.
Papst Franziskus hat 2019 ein Apostolisches Schreiben über die Krippe „Admirabile Signum“ veröffentlicht. Der Pastoraltheologe Ludwig Mödl fasst die zentrale Aussage dieses Schreibens wie folgt zusammen: „Eine Krippe erzählt und bringt das theologische Ereignis in eine Bildwelt, die dem Betrachter bekannt ist oder in ihrer Fremdheit aufmerksam macht auf Elemente, die ihm helfen können, das Geschehen besser zu verstehen. (…) Wer sich durch diese Kunstform zum Inhalt führen lässt, dem kann eine Krippe viel von der spirituellen Tiefe des Glaubensgeheimnisses vermitteln. Vor allem Kinder können durch die Krippenszene tief angesprochen werden – und in Erinnerung an die eigene Kindheit auch Erwachsene.“
Jesuskind Sorgen unserer Zeit anvertrauen
In diesem Sinne lädt die neue Krippe von Hubert Mussner ein, sich ihr zu nähern, um dem Jesuskind die eigenen Gedanken und Sorgen wie auch die Anliegen unserer Zeit anzuvertrauen, um auf dem Weg zur Krippe dem Geheimnis des Lebens auf die Spur zu kommen. Dieses Geheimnis trägt einen Namen: Jesus von Nazareth. Er begegnet uns im Kind von Bethlehem als Immanuel, als „Gott-mit-uns“.