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Neue Heimat Zaatari

Foto: KNA
Schulspeisung im Flüchtlingslager Zaatari. Fast 80 000 Menschen haben hier eine Heimat auf Zeit gefunden.

Neue Heimat Zaatari

Von: Burkhard Jürgens | 28. Mai 2017
Zehntausende Syrer leben unweit ihrer Heimat in der jordanischen Wüste. Aus der Ansammlung von Zelten wurde eine gigantische Containersiedlung.

Eine Containerwohnung in Zaatari ist das Zuhause von Samar Hadj. Kunststoffmatten am Boden, ringsum Matratzen, ein Kühlschrank in der Ecke mit ein paar lustigen Aufklebern, Kinderbilder an der Wand. Auf dem Fernseher liegt ein Koran. Der Fernseher bringt den Krieg zurück, vor dem Hadj mit ihrer Familie vor fünf Jahren aus dem syrischen Dar’a floh; der Koran gibt ihr Kraft für eine noch ungewisse Zukunft.

Zaatari ist das größte Flüchtlingslager der arabischen Welt, gemanagt vom UNHCR und Heimat auf Zeit für fast 80 000 Menschen. Noch vor drei Jahren betitelte man das Konglomerat an Jordaniens Grenze zu Syrien als „Ende aller Hoffnung“. Inzwischen sind die Zelte festen Unterkünften gewichen, Gewerbe und Einzelhandel begannen zu sprießen. Entlang der Hauptstraße reihen sich Lebensmittelläden, Kioske, Barbiere und Mobilfunkshops aneinander, sogar ein Geschäft für Fußballschuhe ist dabei.

Doch dass Zaatari ein einziges Provisorium ist, darüber macht sich niemand Illusionen. Im Sommer mutieren die Blechbehausungen zu Backöfen, im Winter, erzählt Hadj, tropft es so durch, dass sie Angst hat, einen Lichtschalter anzufassen.

Aber vieles hat sich verbessert, sagt die 39-Jährige. Ihr größtes Problem jetzt ist die Bürokratie, etwa wenn es darum geht, das Camp für Besuche in Jordanien zu verlassen – von Auslandsreisen nicht zu reden. Ihr ältester Sohn machte sich vor vier Jahren übers Mittelmeer nach Europa auf, lebt inzwischen in Hamburg. Ihre Zwillingsschwester wohnt in Beirut, auch sie unerreichbar fern.

Und doch beginnt so etwas wie Normalität. Hadjs neunjährige Tochter Zeinab besucht die dritte Klasse, der vierjährige Abdallah geht in den Kindergarten. Sie selbst arbeitet in einem Verpflegungsbetrieb, der die Schulen in Zaatari mit Essen beliefert – ein Projekt des UN-Welternährungsprogramms WFP, das mit gut 40 anderen Organisationen im Camp tätig ist.

Für ihren Job bekommt Hadj 13 Euro täglich. Den Zuschuss zur Grundsicherung kann die Alleinerziehende für Kleidung oder einen kleinen Luxus wie selbstgebackenen Kuchen gut gebrauchen. Für Ralf Südhoff, Direktor der Berliner WFP-Vertretung und künftiger Leiter des Regionalbüros Amman, ist diese Eigenständigkeit entscheidend: „Die Menschen brauchen das Gefühl, dass sich etwas entwickelt.“ Eine Beschäftigung, eine Haushaltskasse – Alltäglichkeiten, die den Flüchtlingen ein Stück Würde zurückgeben und ihre Hoffnung auf ein Bleiben nähren.

In Zaatari wächst die zweite Flüchtlingsgeneration heran. 41,2 Prozent der Einwohner sind jünger als zwölf; viele kennen nichts anderes als das Camp. Etwa Aghiab: ein Sechstklässler wie Tausende andere auf der Welt, der Nachmittags mit seinen Kumpels kicken geht, für den FC Barcelona fiebert und davon träumt, einmal Ingenieur zu werden. Gefragt nach seinem Geburtsort Dar’a jenseits der Grenze, zuckt er mit den Schultern.

Viele hoffen auf eine Rückkehr nach Syrien

In ausländischen Diplomatenkreisen rechnet man damit, dass Zaatari sich zur regelrechten Stadt entwickeln wird. Genau das wollte die jordanische Regierung eigentlich vermeiden, nachdem sich seit 1948 schon zwei Millionen Palästinenser im Land ansiedelten. Doch es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis irgendwo in Zaatari das erste Häuschen aus Stein gebaut wird. Der Anschluss ans Wasser- und Stromnetz steht bereits.

Über 460 000 Menschen sind durch Zaatari gegangen, viele zogen in andere Orte in Jordanien weiter, etliche haben den Sprung nach Europa gemacht. Für die meisten ist das keine Option. Oft nur eine halbe Autostunde von der Heimat in Syrien entfernt, hofft fast jeder auf eine Rückkehr – auch wenn unklar ist, ob das Haus dort noch steht, ob es geplündert wurde, ob jetzt andere darin wohnen.

Wenn Samar Hadj sagen soll, wo sie in fünf Jahren sein möchte, nennt sie keinen Ort, weder Dar’a noch Beirut oder Hamburg. Sie will einfach, dass ihre Familie wieder vereint ist.



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